Bedrohliche Helfer

Gabrielle Simm
Sex in Peace Operations
Cambridge University Press, 
Cambridge 2013
235 Seiten, ca. 69 Euro

Die australische Juristin Gabrielle Simm schildert den Missbrauch von Frauen und Mädchen durch humanitäre Helfer, UN-Blauhelme und Mitarbeiter von privaten Sicherheitsfirmen. Sie fragt nach den strafrechtlichen Konsequenzen und deckt große Versäumnisse auf.

Internationale Friedensmissionen sind wiederholt in Misskredit geraten. Auch humanitäre Einsätze sorgten mehrfach für Skandale: Entgegen ihrem Anspruch, Gewalt zu mindern und die Zivilbevölkerung zu schützen, nutzten Blauhelmsoldaten und humanitäre Helfer vor allem minderjährige Mädchen aus. Bereits der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan erließ Richtlinien, um den Ansehensverlust der Vereinten Nationen (UN) zu stoppen. Sie trugen dazu bei, das Problem öffentlich  zu machen. In der Praxis ist ihre Wirkung aber begrenzt.

Gabrielle Simm zeigt an Fallbeispielen auf, wie ziviles und militärisches Personal in Friedensmissionen sowie humanitäre Helfer gegen die Vorgaben der UN und gegen internationales Recht verstoßen. Sie untersucht Einsätze ab Ende der 1990er Jahre in der Demokratischen Republik Kongo, in Sierra Leone und in Liberia.

Auch private Sicherheitsfirmen nimmt die Autorin unter die Lupe. Hier weist sie nach, in welcher Grauzone deren Mitarbeiter agieren, die Mädchen der lokalen Bevölkerung missbrauchen und mit ihrem Interesse an Prostituierten den Frauenhandel sowie kriminelle Netzwerke fördern. Private Sicherheitsfirmen übernehmen immer mehr Aufgaben für zivile beziehungsweise humanitäre Auftraggeber. Juristisch sind ihre Einsätze häufig problematisch. Das gilt vor allem, wenn man das internationale Völkerrecht zugrunde legt, das viele ihrer Tätigkeiten nicht erfasst.

Simm beschreibt faktenreich und anschaulich konkrete Problemfälle. In verständlicher Weise erklärt die Menschenrechtsexpertin Lesern ohne juristische Vorkenntnisse die straf- und arbeitsrechtlichen Fallstricke, die aus dem Fehlverhalten des internationalen Personals resultieren. Dabei wird deutlich, dass es für Mitarbeitende, die Friedensprozesse begleiten oder humanitäre Hilfe leisten sollen, faktisch keine anonyme Freizeitbeschäftigung gibt, zumal die lokale Bevölkerung ausländische Experten auch außerhalb der Dienstzeiten – etwa bei Wochenendpartys oder Barbesuchen – sehr genau beobachtet.

Die Missbrauchsfälle, die registriert und verfolgt werden, führen trotz strenger Verhaltenskodizes meistens nicht zur Strafverfolgung. Bestenfalls werden die namentlich bekannten Missetäter in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt. Zu schwierig scheint die juristische Aufarbeitung zwischen lokalem Recht, das mancherorts traditionelle Ehen von 14-Jährigen erlaubt, Immunitätsansprüchen internationaler Akteure, der Verantwortung der UN und den mangelnden Gesetzesgrundlagen in den Herkunftsländern der Blauhelmsoldaten und der Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen.

Humanitäre Organisationen sind gefordert, einen klaren arbeitsrechtlichen Rahmen zu schaffen, der sich nicht auf das internationale Personal beschränkt, sondern auch lokale Mitarbeiter einschließt. Denn in etlichen Fällen wurden sexuelle Dienstleistungen im Austausch für Nahrungsmittel verlangt. Fragen der Ethik und Moral werden nicht diskutiert,  Simm bleibt bei ihrer sachlichen juristischen Analyse. Ihr Fazit lautet: Strafverfolgung und Prävention etwa durch differenzierte Gender-Trainings müssen verbessert werden. (Rita Schäfer)

erschienen in welt-sichten 9-2013

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