Moderne Sklaverei für Apple

 
Pun Ngai, Lu Huilin, Guo Yuhua
und  Shen Yuan
iSlaves. Ausbeutung und Widerstand in Chinas Foxconn-Fabriken
Aus dem Chinesischen übersetzt von Ralf Ruckau
Mandelbaum Verlag, Wien, 2013, 
264 Seiten, 19,90 Euro

Wann kommt das neue iPhone endlich? Wer das wissen will, kann dieses Buch ignorieren. Wer aber wissen will, unter welch mörderischen Bedingungen dieser Fetisch der Wohlstandswelt hergestellt wird, erfährt das hier.

Im vergangenen Mai distanzierte sich der Elektronik­riese Apple von seinem langjährigen Zulieferer Foxconn. Kurz davor waren zwei Arbeiter und eine Arbeiterin von Foxconn in den Tod gesprungen. Das neue iPhone soll jetzt vom Konkurrenten Pegatron produziert werden. Über die Produktionsbedingungen in den chinesischen Fabriken von Pegatron wissen wir wenig. Die bei Foxconn hingegen werden in dem federführend von der Soziologin Pun Ngai aus Honkong verfassten Buch als buchstäblich mörderisch beschrieben.

Foxconn aus Taiwan, das unter anderen Apple, Nokia und Sony beliefert, beschäftigt insgesamt 1,2 Millionen Menschen in China. Seit einigen Jahren beobachten Menschenrechtsorganisationen das Unternehmen, nachdem sich 2010 und 2011 insgesamt 20 Arbeiter und Arbeiterinnen an verschiedenen seiner Produktionsstätten in China umgebracht haben. Die meisten stürzten sich vom Gebäude; vier weitere überlebten mit schweren Verletzungen.

Nicht nur die geringen Löhne (umgerechnet 107 Euro monatlich) und die vielen erzwungenen Überstunden treiben die Menschen bei Foxconn in den Tod. Pun Ngai berichtet, in den Fabriken herrsche ein Kasernenhofton, Beschimpfungen durch Vorgesetzte oder gar körperliche Misshandlungen seien gängige Disziplinierungsmittel. „Wenn du etwas falsch machst, machen sie dich zur Sau – ein bis zwei Stunden lang!“, klagt ein Arbeiter aus Kunshan. Die Beschäftigten, die stundenlang monotone Handgriffe am Fließband erledigen, stehen gewaltig unter Druck. Das belegt die Autorin mit Interviews mit Arbeiterinnen und Arbeitern, die sie außerhalb der Produktionsstätten befragen konnte. Hinein in die Fabriken durfte sie nicht.

Fenster in Wohnheimen vergittert

Hinzu kommen harte Lebensbedingungen abseits des Arbeitsalltags, die viele verzweifeln lassen. In der Regel handelte es sich bei den Angestellten um Wanderarbeiter aus entlegenen Provinzen. Foxconn bevorzuge ganz junge Frauen. Nur wenn sich nicht genug von ihnen finden, würden auch Frauen über 24 Jahre und Männer beschäftigt. In die Wohnheime, von denen manche die Größe mittlerer Städte haben, muss man mit dem Betriebsausweis einchecken. Wer drei Tage woanders schlafe, verliere sein Bett, schreibt Pun Ngai. Foxconn bringe bevorzugt Arbeiterinnen aus verschiedenen Gegenden und Werken in einem Wohnheimzimmer gemeinsam unter. Dadurch sollen Kontakt und Solidarität soweit wie möglich verhindert werden. Da auch Personal von Tag- und Nachtschichten in ein Zimmer gelegt werde, klagten viele über Störungen der Ruhezeiten.

Die chinesischen Arbeitsgesetze haben sich in den letzten Jahren verbessert. Aber die meisten dieser Gesetze würden nicht angewandt, schreibt Pun Ngai: „Erstens hat sich das Wesen des Staates verändert. Der Staat hat sich auf die Seite des Kapitals geschlagen. Zweitens hat das Kapital eine unglaubliche Macht erlangt. Nicht einmal Vertreter der Lokalregierungen können die Foxconn-Unternehmen betreten.“ Die Arbeitsbedingungen würden sich erst dann verbessern, wenn es den Arbeitern gelinge, eine starke Bewegung aufzubauen.

Haben die Enthüllungen den Arbeiterinnen und Arbeitern geholfen? Nach der Selbstmordserie bemühte sich Foxconn um Imagepolitur und wies die Vorarbeiter an, Untergebene weniger brüsk zu rügen. Und die Fenster der Wohnheime wurden vergittert. (Ralf Leonhard)

Erschienen in welt-sichten 10-2013

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