Wegweiser durch den Dschungel der Gewalt

Werner Hörtner
Kolumbien am Scheideweg.
Ein Land zwischen Krieg und Frieden
Rotpunktverlag, Zürich 2013, 296 Seiten, 27 Euro

Der österreichische Journalist Werner Hörtner führt in seinem zweiten Buch über Kolumbien durch die Verstrickungen zwischen Staat, Drogenhandel, Paramilitärs und Guerilla. Er fügt einen historischen Einstieg mit Schilderungen der sozialen Bewegungen zu einer aktuellen politischen Einschätzung zusammen.

Hörtner beginnt seine Einführung aus der Ich-Perspektive und streut auch im Folgenden Anekdotisches ein. Es ist dankenswert, dass er zu Beginn die indigenen Völker auf die Bühne der kolumbianischen Gesellschaft treten lässt. Denn sie bringen eine nicht zu unterschätzende Pionierleistung und somit Impulskraft für soziale Bewegungen und weitreichende Reformen ein.

Neben den sozio-politischen Bewegungen im Land nehmen die Schilderungen einzelner Führungspersönlichkeiten viel Raum ein, allen voran der 2010 aus dem Amt geschiedene Präsident Alvaro Uribe, der den Staat auf fatale Weise prägte. Es ist eine Bestandsaufnahme vieler Ereignisse, die sich zu diesem Horrorszenario zusammenfügen, das die kolumbianische Gesellschaft  darstellt. Das Buch enthält eine grobe politische Landkarte, eine Chronologie der jüngeren Geschichte sowie eine weiterführende Literatur- und Quellenliste.

Hörtner hat die undankbare Aufgabe übernommen, die Leserinnen und Leser durch den Dschungel von Drogenhandel, Paramilitärs und Guerillabewegung sowie staatlichen Verstrickungen zu führen. Er erklärt, wie das zu einem nahezu flächendeckenden politischen Projekt wurde, das Kolumbien in den Abgrund zog: Menschenrechtsverteidiger, linke Politiker und Gewerkschafter verschwinden und werden ermordet; Oppositionelle und Journalisten werden verfolgt und ins Exil gejagt; an der Zivilbevölkerung werden grausame Massaker begangen.

Ist die Regierung Santos eine „ modernisierende Bourgeoisie“?

Der Autor schildert die politische Persönlichkeit des früheren rechtsgerichteten Präsidenten Uribe nebst Komplizen, deren Machenschaften das Schicksal der Kolumbianerinnen und Kolumbianer im vergangenen Jahrzehnt geprägt haben. Sie haben ihn aus der tiefen Sehnsucht nach Frieden erduldet und mussten dafür eine Zunahme von Gewalt, Machtmissbrauch und Autoritarismus hinnehmen. Hörtner schätzt das als eine neue Ära ein, die noch nicht abgeschlossen ist.

Die Leserinnen und Leser mögen mitreflektieren, ob es sich nicht um einen jahrzehntelang gärenden Fäulnisprozess handelt, der alle Ebenen der Führung bis tief in die kolumbianische Gesellschaft durchdrungen hat. Rühmliche Ausnahmen sind der Oberste Gerichtshof und das Verfassungsgericht. Auch könnte man geneigt sein, die Rolle der Guerilla im Friedensprozess weniger positiv zu betrachten.

Ob die vorsichtig optimistische Einschätzung der Regierung Santos als „ modernisierende Bourgeoisie“ und der hinter ihr stehenden Exportunternehmen, geteilt werden kann, ist ebenfalls dem Leser überlassen – muss dies doch im Rahmen der Globalisierung betrachtet werden. In diesem Zusammenhang stehen auch die Freihandelsabkommen zwischen Kolumbien und den USA/ Kanada sowie Europa, die zu großen ökologischen und sozialen Verwerfungen führen. Das findet in Hörtners Buch kaum Platz. Dennoch taugt es für konstruktive Überlegungen, und das macht es vor allem für Multiplikatoren wie Menschenrechts- und Gewerkschaftsaktivisten, Journalisten und Studierende sehr lesenswert. (Petra Rohde)

Erschienen in welt-sichten 2-2014

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