Population Boom: Wer ist zu viel?

Auf einer filmischen Reise um die Welt verscheucht Werner Boote das Schreckgespenst der Überbevölkerung: Ein sentimentaler Aufklärungsfilm ohne allzu viel Tiefgang.

Nach der erfolgreichen Dokumentation „Plastic Planet“ wendet sich der österreichische Filmemacher Werner Boote in „Population Boom“ einem neuen Sujet zu: den Menschen. Oder besser, der Erdbevölkerung. Deren Wachstum muss gebremst werden, sagen manche. Sonst seien weder Klimawandel noch Umweltzerstörung in den Griff zu bekommen, drohten Hunger, Epidemien, Krieg.

Der Filmemacher will herausfinden, was hinter der Angst vor zu vielen Menschen steckt. Seine Antwort ist schnell klar: Es gibt nicht zu viele Menschen, sondern zu viel Gier. Nicht die Milliarden Armen verseuchen die Umwelt, sondern die viel zu großen Autos der wenigen Reichen. Und die Slums sind kein Ausdruck von Überbevölkerung, sondern der Armut der Bewohner, die sich nicht mehr Land zum Leben leisten können.

Geburtenkontrollen beschränken das Glück des Einzelnen, jeder soll so viele Kinder haben können, wie er oder sie will. Klar wird auch, dass die Debatte unterschwellig rassistisch ist. Denn es stellt sich zwangsläufig die Frage: Wer ist denn zu viel? Statt den Bevölkerungszuwachs zu kontrollieren, sollte die Politik in die Menschen investieren, in Bildung und Selbstständigkeit der Frauen.

In Anzug und Krawatte auf Straßenkreuzungen

Mit allzu vielen Fakten hält sich der Film bei seiner Argumentation nicht auf, die Geschichte wird vor allem von Emotionen und Boote selbst getragen. Wie eine sanfte Version des US-Filmemachers Michael Moore leitet er den Zuschauer an, steht in Anzug und Krawatte, mit aufgespanntem Regenschirm und Zeitung in der Hand auf Straßenkreuzungen in New York, Peking, Mumbai, Nairobi oder Wien und mischt sich als Fremdkörper unter die Menschenmassen. Seinen Gesprächspartnern, den jungen Müttern in Kenia, dem Hochzeitspaar in China, der Aktivistin in Bangladesch, stellt er bewusst naive Fragen, auch vor albernen Blödeleien schreckt er nicht zurück. Das mag den Einstieg in ein trockenes Thema erleichtern. Für Spannung oder gar Kontroversen sorgt dieses Vorgehen kaum.

Auch inhaltlich bleibt der Film oft eindimensional. So sieht er die Bevölkerungspolitik lediglich als Machtmittel reicher Industriestaaten und ihrer internationalen Erfüllungsgehilfen wie der Weltbank. Sie fürchten noch mehr Flüchtlinge und Armutsmigranten, das Boot ist schließlich schon voll. Dass im Zuge der Familienplanung auch in Entwicklungsländern bestimmte Gruppen unterdrückt werden, kommt nicht zur Sprache. Genauso wenig thematisiert werden die teils brutalen Konsequenzen der Geburtenkontrolle in China, wo es immer wieder zu Zwangsabtreibungen kommt.

Zwar bleibt der Film fundierte Antworten schuldig und kommt etwas gespreizt daher, aber er regt zum Nachdenken an. Und er bringt die Geschichte versöhnlich zu Ende. „Ich weiß, dass es nicht darauf ankommt, wie viele wir sind, sondern wie wir miteinander umgehen“, sagt Boote, der mit hunderten Pilgern in Bangladesch stehend auf dem Dach eines komplett überfüllten Zuges fährt. Beruhigend einfach klingt das. (Sebastian Drescher)

Population Boom
Regie: Werner Boote, Österreich 2013
90 Minuten, Kinostart: 27. März 2014

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