Gefahr für den sozialen Frieden

Johannes Steiner (Hg.); Grenzen des Hungers. Ernährungssicherheit in Zeiten des Globalen Wandels
Verlag noir, Wien 2014, 380 Seiten, 19,90 Euro

Der Sammelband des Institutes für Umwelt, Frieden und Entwicklung bildet in zwölf thematischen Kapiteln die wichtigsten Dimensionen von Hunger ab und liefert stimmige Analysen.

Der Prozentsatz der hungernden Menschen hat sich in den vergangenen 50 Jahren halbiert. Das ist die gute Nachricht, die von Entwicklungspolitikern verkündet wird. Dennoch erreichte die Zahl der Hungernden vor wenigen Jahren mit einer Milliarde Menschen einen makabren Allzeitrekord. Hunger ist nach wie vor ein Massenkiller. Wenn man die Opfer ernährungsbedingter Mangelkrankheiten dazurechne, komme man auf eine tägliche Bilanz von 100.000 Toten weltweit, schreibt der Agrarjournalist und Theologe Hans Putzer in seinem Essay „Hunger macht Krieg“.

Anders als etwa beim Ebola-Virus weiß man, wie der Hunger zu bekämpfen wäre. Trotzdem werden diese erschreckenden Zahlen von den meisten Menschen achselzuckend zur Kenntnis genommen. Obwohl der Hunger ein leiser Mörder ist, resümiert Putzer: „Wo Hunger droht, wird auch der soziale Friede zu einem kostbaren, weil zerbrechlichen Gut“. Denn Profiterwägungen von Unternehmern oder Spekulanten aber auch Exportinteressen von Regierungen bewirken oft, dass der eigenen Bevölkerung notwendige Nahrungsmittel entzogen werden.

„Hunger macht Krieg“ ist eines von zwölf thematischen Kapiteln des Sammelbandes „Grenzen des Hungers“, der vom Institut für Umwelt, Frieden und Entwicklung (IUFE) mit Fördergeldern der Austrian Development Agency (ADA) herausgegeben wurde. Das Institut ist eine Art fortschrittliches und ökologisches Aushängeschild der konservativen ÖVP, das sich einen fachlich hervorragenden Ruf erworben hat, aber leider in der eigenen Partei viel zu wenig gehört wird. Der Pluralismus an Meinungen macht die Qualität des Buches aus: Es gelingt, die wichtigsten Aspekte des Hungers nicht nur abzubilden, sondern auch analytisch aufzubereiten.

Der von fast allen Staaten ratifizierte Pakt über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte verbrieft allen Menschen das Recht, „vor Hunger geschützt zu sein“. Das gilt nicht nur für einzelne Länder, auch die Staatengemeinschaft ist gefordert – etwa wenn es um Handel oder Subventionen geht. Brigitte Reisenberger und Sophie Veßel von der Organisation FIAN machen darauf aufmerksam, wie die Importe von Agrarsprit in Europa den Menschen in den Erzeugerländern Nahrungsmittelknappheit und Elend bringen können. Der faire Handel hingegen kann laut Edeltraud Novy von WIDE Österreich dazu beitragen, Hunger zu vermeiden.

Verantwortlich für den Hunger in Teilen der Welt seien aber nicht nur Konzerne und Spekulanten, sondern auch die Verbraucher in den reichen Ländern. Wenn sich alle Menschen ernähren wollten wie Europäer oder US-Amerikaner, würde die landwirtschaftliche Produktion dieser Welt nicht ausreichen, erklärt Josef Nussbaumer im Vorwort des Buches. Schon heute würde man bei europäischen Konsumgewohnheiten die doppelte Fläche der Erde für die Nahrungsmittelproduktion benötigen.

Ralf Leonhard

 

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