Tim Flannery
Auf Gedeih und Verderb. Die Erde und wir:
Geschichte und Zukunft einer besonderen Beziehung
S. Fischer Verlag, Frankfurt 2011,
368 Seiten, 22,95 Euro
Der Zoologe Tim Flannery betrachtet die Beziehung zwischen den Menschen und der Erde aus biologischer Sicht. Seine Vision der Erde als „Gaia“ mutet esoterisch an, ist aber faszinierend.
Flannery, der auch Klimabeauft ragter der australischen Regierung ist, beginnt seine Ausführungen mit Charles Darwin. Im Werk des britischen Naturforschers sind zwei entgegengesetzte Vorstellungen angelegt: Erstens, in unserer Welt überleben nur die Stärksten, und zweitens, alles hängt mit allem zusammen. Flannery spricht von „Medea-Hypothese“und „Gaia-Hypothese“, sieht in beiden aber keinen grundlegenden Widerspruch: „Wenn der Konkurrenzkampf die Antriebsfeder der Evolution ist, dann ist die Welt der Kooperation ihr Erbe. Und auf dieses Erbe kommt es an, denn es kann die Kraft , von der es geschaffen wurde, bei weitem überdauern.“
Die Gaia-Hypothese – ursprünglich stammt sie von dem britischen Wissenschaftler James Lovelock– versteht die Erde als einen Gesamtorganismus, in dem alle Lebensformen zusammenwirken. Unter diesen Bedingungen ist auch eine Evolution von komplexeren Organismen möglich. Flannery sieht die Geschichte der Erde als eine Geschichte dieser„Koevolution“. Der Störfaktor Mensch allerdings habe die Beziehungsgefl echte der Ökosysteme immer wieder zerrissen.
Die Ankunft der Menschen nach ihrer Auswanderung aus Afrika sei für jeden Kontinent eine Katastrophe gewesen, schreibt er. In Australien etwa wurden rund 60 Riesenarten – beispielsweise riesige Beuteltiere – ausgerottet. Nach ihrem Aussterben wuchsen Gras und Sträucher unkontrolliert. Brände vernichteten die Vegetation, entblößten die Erde und förderten die Erosion. In der so genannten Mammutsteppe, die von Zentralfrankreich bis Alaska reichte, lebten während der Eiszeit große Herden von Grasfressern. Als das Klima sich erwärmte, fielen die Tiere Jägern zum Opfer. In Nordamerika waren 500 Jahre nach Ankunft der Menschen 34 Gattungen von Großsäugern verschwunden; in Südamerika waren es sogar 50 Gattungen. Überall hinterließ der Mensch eine Spur der ökologischen Verwüstung.
Seine Hoffnung, dass die Menschen dennoch in der Lage sein könnten, die Zukunft der Erde kooperativ mit allem Leben auf dem Planeten zu gestalten und sich in die Koevolution zu integrieren, bezieht Flannery nicht zuletzt von den Feuerameisen. Als die nämlich von Südamerika nach Nordamerika kamen, hörten sie auf, konkurrierende Kolonien zu bilden. Sie verschmolzen zu einem einzigen Volk, das allein in den Vereinigten Staaten mehr als eine Million Quadratkilometer einnimmt. Eine Tendenz zur Entstehung solcher „Superorganismen“, die den Eigennutz überwinden, sieht Flannery nicht nur bei Insekten, sondern auch bei den Menschen im Zeitalter der Globalisierung.
Zurückgreifen könnte der menschliche Superorganismus dabei auf traditionelle Praktiken indigener Völker, mit denen sie die Ökosysteme erhalten, auf die sie angewiesen sind. Auch wenn die Vision der Erde als „Gaia“ manchen esoterisch erscheinen mag, die enge Verbundenheit des Autors zu all den Spezies dieser Erde macht das Buch zu einer faszinierenden Lektüre.
Anja Ruf
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