Irregeleitete Wohltaten

Der aus Swasiland stammende Anthropologe Jason Hickel fordert in seiner Kampfschrift, Armut und Hunger durch einen globalen Mindestlohn und globale Unternehmenssteuern zu bekämpfen.

Die acht reichsten Menschen der Welt besitzen zusammen ebenso viel Vermögen wie die ärmste Hälfte der Weltbevölkerung, kritisiert Jason Hickel gleich zu Beginn seines Buches. Schuld an der insgesamt alarmierend ungleichen Vermögensverteilung zwischen Nord und Süd, so die Hauptthese des Autors, sei unter anderem die „Wohltätigkeit des Nordens“, also staatliche Entwicklungshilfe sowie Hilfen von nichtstaatlichen Organisationen und Stiftungen. Die versprächen zwar, die Armut auszumerzen, sorgten aber nur dafür, dass strukturelle Probleme der Ausbeutung armer durch reiche Länder wie hohe Auslandsschulden oder subventionierte Nahrungsmittelexporte Richtung Süden nicht angegangen würden. Auch die Nachhaltigkeitsziele der UN erklärten Wirtschaftswachstum zur Voraussetzung der Armutsbekämpfung, ohne die Verteilungsgerechtigkeit oder die ökologischen Folgen hinreichend zu betrachten.

Um die globale Kluft zwischen Arm und Reich wirklich zu schließen, fordert Hickel eine generelle Streichung der „Schuldenlast der Entwicklungsländer“. Schulden dürften „nicht zurückgezahlt werden, wenn das großes menschliches Leid nach sich zieht“, so der Autor. Auch von Hickel sogenannte Diktatorenschulden in Höhe von angeblich 735 Milliarden Dollar (einen Beleg für die Summe bleibt Hickel schuldig), die ohne demokratisches Mandat angehäuft worden seien, müssten gestrichen werden. Um die drückende Zinslast zu beenden, seien rückwirkend Zinsobergrenzen zu verhängen.

Statt pauschal Zollsenkungen zu fordern, sollten seiner Vorstellung nach alle WTO-Mitglieder Entwicklungsländern, die ärmer als sie selbst sind, freien Zugang zu ihren Märkten gewähren. Zudem müssten die reichen Länder ihre Agrarsubventionen kürzen, den armen müsse dagegen erlaubt werden, ihre Kleinbauern zu subventionieren. Nur so lasse sich der weltweite Hunger bekämpfen. Auch einen globalen Mindestlohn sieht Hickel als realistisch an – er soll 50 Prozent des mittleren Lohnes (Median) im jeweiligen Land betragen, denn faire Löhne bewirkten viel mehr als der „Fair Trade-Fimmel“ im globalen Norden. Schließlich fordert der Autor eine globale Mindeststeuer für Unternehmen.

Hickel liefert in seiner fesselnden Kampfschrift einen plausiblen roten Faden zur Geschichte der Ausbeutung des Südens durch den Norden seit über 500 Jahren und im Detail vom Ende des Zweiten Weltkrieges über die Entkolonialisierung, die Öl- und Schuldenkrise, die neoliberalen 1980er Jahre bis hin zu den Milleniums-Entwicklungszielen und zu den UN-Nachhaltigkeitszielen. Er spricht trotz mancher Polemik wichtige Themen an und refereriert interessante, jedoch nicht immer neue Vorschläge für Auswege aus der globalen Ungleichheit.

Klaus Jetz

 

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