Reise zum inneren Frieden

Der argentinische Regisseur Francisco Varone erzählt in einem klassischen Roadmovie von der aufkeimenden Freundschaft zwischen einem sufistischen Muslim und einem konfessionslosen Arbeitslosen.

Sebastián ist 35, lebt mehr oder weniger in den Tag hinein und hat mit seiner hübschen Frau Jazmin gerade eine neue Wohnung in Buenos Aires bezogen. Weil die dortige Telefonnummer früher zu einem Fahrdienst gehörte, rufen immer wieder Menschen an, die einen Chauffeur bestellen wollen. Sebastián, der ohnehin nur Gelegenheitsjobs nachgeht, aber einen geerbten Peugeot 505 hat, den er liebevoll pflegt, übernimmt einige Aufträge. So lernt er den alten Muslim Khalil kennen, den er öfter zum Arzt chauffiert. Eines Tages fragt Khalil Sebastián, ob er ihn in die bolivianische Hauptstadt La Paz bringen kann. Da das gebotene Honorar üppig ist und Jazmin gerade ihre Arbeit verloren hat, brechen die beiden zu der 3000 Kilometer langen Reise auf.

Sebastián ist schnell genervt, denn der nierenkranke Alte muss jede Stunde auf die Toilette, isst gerne Knoblauch und betet fünf Mal am Tag. Während Sebastián unterwegs am liebsten die Rockmusik der einheimischen Band „Vox Die“ hört, bevorzugt Khalil eher meditative orientalische Musik. Abend für Abend muss der Chauffeur zudem das schwere mobile Dialysegerät vom Autodach ins Hotel schleppen und morgens wieder zurück. Außerdem lädt Khalil ungefragt einen verletzten Hund und fremde Menschen zur Mitfahrt ein. Nach und nach aber nähern sich die Männer an, vor allem nachdem zwei Räuber sie um ihr Geld erleichtern und an einen Baum fesseln. So offenbart Khalil, dass er zu seinem Bruder will, der in einem Pflegeheim lebt. Die beiden wollen sich einen alten Traum erfüllen und eine Pilgerreise nach Mekka antreten. Am Ende des Films lädt Khalil Sebastián ein, mit ihm die Schahada, das Glaubensbekenntnis der Muslime, aufzusagen.

Die gemächliche Inszenierung des Roadmovies über zwei sehr unterschiedliche Männer aus unterschiedlichen Kulturen bezieht ihren besonderen Reiz vor allem daraus, wie der Film jenseits der abenteuerlichen Ereignisse auf der Fahrt die allmähliche Annäherung und die innere Entwicklung der Protagonisten schildert. Diese innere Reise lässt schon der Titel anklingen, bezeichnet er doch nicht nur den Weg zum Regierungssitz Boliviens, sondern auch den Weg zum Frieden. Während der weise Khalil seinen inneren Frieden anscheinend schon gefunden hat, gelingt es dem Rockmusikliebhaber Sebastián erst durch die Begegnung mit Khalil, seine Ichbezogenheit zu überwinden und auch immaterielle Dinge schätzen zu lernen. Die Darstellung erhält so gleichsam auch eine spirituelle Dimension.

Ein subtil entwickeltes Schlüsselthema der hindernisreichen Odyssee ist das Vertrauen, das beide im wechselseitigen Geben und Nehmen allmählich zueinander aufbauen. Der schwer kranke, aber lebenskluge Khalil wächst so zu einer Vaterfigur für Sebastián heran, der für sein Alter unreif wirkt und offenbar ziellos durchs Leben treibt.

Die behutsame Inszenierung punktet mit leisen Humor und einigen skurrilen Szenen, etwa wenn Khalil auf einer Zwischenstation des Trips an einer meditativen Dhikr-Übung muslimischer Sufis mit anschließendem Fest teilnimmt und dabei sogar beim rituellen Tanz mitmacht.

Getragen wird der leise Film vor allem von den glänzenden Hauptdarstellern. Der junge Rodrigo de la Serna und der renommierte Theaterschauspieler Ernesto „Flaco“ Suárez, der mit 75 Jahren hier sein Filmdebüt gibt, ergänzen sich als schräges ungleiches Duo wunderbar.

Die internationale Koproduktion wurde von Brot für die Welt mit Mitteln des Kirchlichen Entwicklungsdienstes auch in der Produktion gefördert. Das Evangelische Zentrum für entwicklungsbezogene Filmarbeit in Stuttgart hat den Debütspielfilm des Argentiniers auf DVD herausgebracht. „Camino a La Paz“ hat auf dem Kirchlichen Filmfestival Recklinghausen den ersten Preis gewonnen und auf dem Festival von Thessaloniki den Spezialpreis der Jury erhalten.

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