Mord an einer Aktivistin


Detailliert untersucht Nina Lakhani die Hintergründe und Ermittlungen zum Mord an der honduranischen Umweltaktivistin Berta Cáceres – und zeichnet so das Porträt eines gescheiterten Staates.

In Honduras war Berta Cáceres schon zu Lebzeiten eine Legende. Als Feministin und Umweltaktivistin scheute sie keinen Konflikt, wenn es um die Verteidigung der natürlichen Ressourcen ihres Landes ging. In Europa wurde sie einem größeren Publikum erst posthum bekannt – nach ihrer Ermordung im März 2016. Bis zuletzt hatte sie mit der von ihr gegründeten Indigenen-Organisation COPINH und mit örtlichen Gemeinden gegen das umstrittene Wasserkraftprojekt Agua Zarca im Nordwesten von Honduras gekämpft. Diesen Kampf hat Cáceres nicht überlebt.

Die Londoner Journalistin Nina Lakhani, die viele Jahre vor allem für den „Guardian“ aus Zentralamerika berichtete, hat die Ergebnisse ihrer Recherchen zum Mord an Cáceres in einem Buch zusammengetragen. Sie beschreibt, wie die Aktivistin bei ihren lokalen Kämpfen nie die globalen Zusammenhänge aus dem Blick verlor. So geht auch das Buch vor: Die Schilderung des Mordfalls, der anschließenden Untersuchungen sowie des Gerichtsprozesses auch gegen Angestellte des honduranischen Kraftwerksunternehmens DESA stehen beispielhaft für den traurigen Alltag in dem zentralamerikanischen Staat, in dem Morde an Umweltaktivistinnen zum Alltag gehören.

Lakhani analysiert sachkundig die Macht- und Herrschaftsverhältnisse in Honduras. Sie beschreibt, wie die Eliten aus Politik und Wirtschaft die Naturschätze des Landes unter sich aufteilen und dabei Insti­tutionen wie die Staatsanwaltschaft und Gerichte in ihren Dienst stellen, um gegen renitente Gegnerinnen und Gegner vorzugehen. Interessant sind die Kontinuitäten, die Lakhani aufzeigt. So trägt der  Mord an Cáceres die militärische Handschrift der Aufstandsbekämpfung, die in Lateinamerika während des Kalten Krieges angewandt wurde. „Wenn Berta in den 1980er Jahren ermordet worden wäre, hätte man ihren Tod als politischen Mord durch die staatliche Polizei verstanden“, schreibt Lakhani. „Noch heute werden die Sicherheitskräfte eingesetzt, um die Interessen nationaler und internationaler Unternehmen zu schützen. Wer dagegen rebelliert, wird nicht mehr als linker Guerillero, sondern als Fortschrittsgegner und Terrorist gebrandmarkt.“ Die Autorin richtet ihren Blick auch ins Ausland: in die USA, deren Regierung die Eliten in Honduras gewähren lässt, solange es ihren eigenen Interessen dient, aber auch auf europäische Finanzinstitute wie die niederländische Entwicklungsbank FMO, die das umstrittene Wasserkraftprojekt bis zum Tod von Cáceres unterstützte.

Lakhani ist keine neutrale Beobachterin. Ob der Ungerechtigkeiten, die Cáceres selbst im Gerichtsprozess nach ihrem Tod widerfahren – Akten werden zurückgehalten, wichtige Zeugen nicht zugelassen –, macht die Autorin nie einen Hehl daraus, wem ihre Sympathie gilt. Auch wenn die Detailfülle und das Personengeflecht die Lektüre des Buches für Leser und Leserinnen ohne solide Honduras-Kenntnisse zuweilen etwas unübersichtlich machen, ist das Werk als treffendes Porträt der Aktivistin und auch eines gescheiterten, von der Welt vergessenen Staates sehr empfehlenswert.

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