Kunst und Kolonialgeschichte als Krimi  

Seit den 70er Jahren wehren sich europäische Museen dagegen, Kunstgegenstände aus afrikanischen Ländern an ihre Ursprungsorte zurückzugeben. Béné­dicte Savoy erzählt diese Geschichte lebendig, spannend und anklagend. 

Bénédicte Savoy. Afrikas Kampf um seine Kunst: Geschichte einer postkolonialen Niederlage: C. H. Beck, München 2021; 256 Seiten, 24 Euro

Die Forderung ist nicht neu, hat aber innerhalb der letzten Jahre deutlich an Fahrt gewonnen: Deutsche Museen sollen Exponate, die in der Kolonialzeit nach Deutschland geschafft wurden, an die Länder zurückgeben, aus denen sie ursprünglich stammen. Bereits in den 1970er und 1980er Jahren versuchten frisch unabhängig gewordene afrikanische Länder, Stücke aus europäischen Sammlungen zurückzuerhalten. Diese Restitutionsdebatte ist das Thema dieses Buches. 

Nachdem Savoy 2019 gemeinsam mit dem senegalesischen Ökonomieprofessor Felwine Sarr ein Konzept vorgestellt hat, wie Restitutionen getätigt werden können, beschreibt sie nun die historischen Hintergründe. Dabei geht sie nicht ausführlich auf den aktuellen Stand der Debatte ein, sondern zeigt den Lesenden, wie wenig sich seit den 70er Jahren getan hat. Das zuerst in Deutschland erschienene Buch legt den Fokus auf den deutschen Umgang mit Restitutionsforderungen, ordnet diese aber in den europäischen Kontext ein.

Die Anfragen nach Zurückgabe von Kunstwerken, die insbesondere aus Nigeria gestellt wurden, seien in Deutschland mit einer rassistischen Argumentationsstrategie abgewehrt worden. Dabei hät-ten deutsche Museumsdirektoren nicht nur darüber gelogen, auf welchen Wegen die Kunstgegenstände nach Deutschland gebracht worden waren. Sie hätten auch nicht erkannt, dass die Kolonialisierung afrikanischer Territorien an sich einen Gewaltakt darstellt. 

Obgleich afrikanische Kunst in den Lagern europäischer Museen verwahrt blieb und so gut wie nie ausgestellt wurde, wollten die Direktoren dieser Museen die Kunstgegenstände auch nicht freigeben. Afrikanische Länder, so beharrten sie, seien überhaupt nicht in der Lage, sie angemessen zu pflegen. Die Erzählung der „weißen Retter“, die die Kultur bewahrten, und der schwarzen Bevölkerung, die dazu nicht in der Lage sei, sei somit einfach fortgeführt worden. Nur eine kleine Zahl deutscher Kunstkenner hätten sich für Restitutionen ausgesprochen und die Organisationen unterstützt, die auf internationaler Ebene entstanden, um die Rückgabe von Kunst zu ermöglichen. 

Während europäische Länder wie Belgien und Frankreich zu Beginn der 80er Jahre tatsächlich Kunstgegenstände an afrikanische Länder zurückgaben, ist dies in Deutschland bis heute nicht geschehen. 

„Afrikas Kampf um seine Kunst“ ist ein genau recherchiertes und spannend geschriebenes Buch, das die Geschichte lebendig werden lässt. Die französische Kunsthistorikerin Savoy nutzt Quellen wie Fotos, Briefe und Niederschriften von Gesprächen, um Eindrücke von der jeweiligen Zeit zu vermitteln. Sie schafft es, die verschiedenen Stränge der Geschichte zu einer Erzählung zu verweben, die sich trotz des klaren und wissenschaftlichen Stils so spannend wie ein Krimi liest. 

Dabei zeigt sie nicht nur eindrücklich, wie aus einzelnen aktivistischen Stimmen internationale Forderungen werden, sondern gewährt auch Einblicke in eine absurd erscheinende Museumswelt. Sie zeigt, wie langwierig institutionelle Prozesse sein können, und wie wenige Einzelne es schaffen, sie zu beeinflussen. Gleichzeitig hält das Buch der deutschen Museumsszene einen Spiegel vor, in dem das koloniale und rassistische Gedankengut, das bis heute wirkt, klar erkennbar wird. Savoy regt auch zum Nachdenken darüber an, welchen Wert Kunst für Gesellschaften und deren Nationalbewusstsein hat.

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