Nüchtern, aber hoffnungsvoll

Kate Cronin-Furman: Hypocrisy and Human Rights. Resisting Accountability for Mass Atrocities. Cornell University Press, Ithaca NY 2022,180 Seiten, ca. 19 Euro

In ihrem Buch betont Kate Cronin-Furman, wie wichtig es ist, Autokraten auf internationaler Ebene anzuprangern – auch wenn sie sich davon zunächst nicht beeindrucken lassen. Die Menschenrechtsexpertin zeigt: Wichtig sind die Langzeiteffekte.  

In ihrem Buch gehe es darum, was politischer Druck bewirkt, wenn er nichts bewirkt, erklärt Kate Cronin-Furman bereits auf den ersten Seiten. Die Direktorin der Abteilung Menschenrechte im Fachbereich Politik des University College London bezieht sich dabei auf die Tatsache, dass repressive Regime so gut wie nie einlenken, wenn andere Staaten oder internationale Organisationen ihnen wirtschaftlichen oder politischen Druck androhen und sie auffordern, die Menschenrechte einzuhalten. „Die Regime rufen dann zahnlose Ausschüsse ins Leben, erlauben die Entsendung internationaler Beobachter, die sie, wenn sie kommen, nach Kräften behindern, und verabschieden ein, zwei symbolische Gesetze, die sie nicht vorhaben, jemals umzusetzen – und während all dieser Zeit bemühen sie sich, ihren Repressionsapparat weiter auszubauen“, schreibt sie. Fallbeispiele für diese Vorgehensweise liefert die Autorin in großer Zahl – von Darfur über Sri Lanka bis hin zur Verfolgung der Rohingya in Myanmar. 

Ihre Antwort auf diese nüchterne Bestandsaufnahme fällt dann aber keineswegs resignativ aus. Zwar führe Druck von außen – jedenfalls unterhalb der Schwelle einer Invasion – niemals dazu, dass repressive Regierungen ihre eigenen Handlanger absägten oder gar verfolgten. Das bedeute aber noch lange nicht, dass das (welt-)öffentliche Bloßstellen brutaler Regime wirkungslos sei. Den Wert unrealistischer Forderungen macht die Autorin dabei unter anderem am Beispiel der Verfolgung der Rohingya durch das Militärregime in Myanmar fest. 

Lautstarke Forderungen dienen dem Ziel, Regime zu isolieren

Natürlich sei 2018 der Versuch, den UN-Sicherheitsrat dazu zu bringen, führende Militärs vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu stellen, von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. Denn sowohl China als auch Russland hatten klar gemacht, dass sie einer solchen Resolution niemals zustimmen würden. Nichtsdestotrotz sei die Anrufung des UN-Sicherheitsrates aber der entscheidende Mechanismus, wenn es darum gehe, Gräueltaten durch Staaten zu ahnden, die keine Vertragsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs sind. Diesen Mechanismus nicht zu aktivieren, würde den Opfern des Militärregimes von Myanmar signalisieren, dass ihr Leiden weniger bedeutsam sei als das der Menschen in Darfur, Syrien oder Libyen, und es würde auch die Stellung des Internationalen Strafgerichtshofs schwächen, der für eben solche Gräueltaten zuständig sei. Vor allem aber seien solch „unrealistisch“ erscheinende Anliegen auch ein wichtiges Werkzeug im Umgang mit unbeteiligten Drittstaaten. 

Lautstarke Forderungen, die Gräueltaten an den Rohingya als Völkermord zu klassifizieren und vor dem ICC zu verhandeln, machen es dem Regime ebenso wie Rufe nach Sanktionen schwerer, Verbündete zu finden – und helfen so zumindest indirekt den Opfern. Gleichzeitig betont Cronin-Furman, wie wichtig es für internationale (Hilfs-)Organisationen ist, die Zivilgesellschaft in ihrem Streben nach Aufarbeitung von Gewaltherrschaft zu unterstützen, nicht zuletzt bei der Dokumentation von Gräueltaten, damit es zumindest möglich bleibt, eines Tages die Täter zur Verantwortung zu ziehen. 

Alles in allem hat die Autorin ein wichtiges Buch zum Thema internationale Strafgerichtsbarkeit vorgelegt und dabei deutlich gemacht, dass internationale Verurteilungen und Sanktionen nicht nur direkt, sondern vor allem auch indirekt auf repressive Regime zielen und so langfristig durchaus für mehr Gerechtigkeit sorgen können. 

Duncan Green (https://frompoverty.oxfam.org.uk/book-review-hypocrisy-and-human-rights-resisting-accountability-for-mass-atrocities/) 

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