Helfer-SUVs und schwarze Fahrer

Themrise Khan, Kanakulya Dickson und Maïka Sondarjee (Hg.): White Saviorism in International Development. Theories, Practices and Lived Experiences. Daraja Press, Kanada 2023, 268 Seiten, ca. 15 Euro

Die 19 Autorinnen und Autoren des Sammelbandes kritisieren die ihrer Meinung nach im globalen Norden vorherrschende Weltsicht des „White Saviorism“, von ihnen auch „industriell-kolonial-patriarchalisch-weißer Retterkomplex“ genannt. Den machen sie in Initiativen für internationale Entwicklung aus.

Der Begriff „White Savior Complex“ wurde 2012 von dem nigerianisch-amerikanischen Schriftsteller Teju Cole geprägt. Er beschrieb damit seinen Eindruck, dass sich Weiße aus dem globalen Norden dazu berufen fühlen, in Ländern des globalen Südens Menschen zu helfen – ohne dabei die historisch verankerte Problematik von weißer Dominanz und Vorherrschaft zu reflektieren. 

„Savior“ – in kritisch-ironischer Absicht gebraucht – meint dabei mehr als nur „Retter“. Der Begriff bedeutet auch „Erlöser“. In der Theologie sei ein Savior ein göttliches Wesen, das aus einer anderen Dimension heraus interveniert, die an Moral und Wissen überlegen ist, erklärt Kanakulya Dickson, Dozent an der Makerere-Universität in Uganda und einer der Herausgeber des Buches. In den ehemals kolonialisierten Ländern seien inzwischen auch nichtstaatliche Organisationen Teil der auf White Saviorism basierenden „Entwicklungsmaschine“.

Der Savior ist nicht immer weiß und männlich

Der Retter ist dabei, wie aus den verschiedenen Texten hervorgeht, nicht immer männlich. Gender-Expertinnen aus dem globalen Norden nutzten ihre Positionen im Feld der Internationalen Entwicklung, um als „Retterinnen“ Macht über Frauen im globalen Süden auszuüben, so die Mitherausgeberin Themrise Khan, eine unabhängige Entwicklungsfachkraft aus Pakistan – und damit im Grunde ebenfalls Teil der kritisierten „Entwicklungsmaschine“. Solche „Matriarchinnen“ müssten nicht immer weiß sein: Auch Migrantinnen, die im globalen Norden aufgewachsen seien, könnten sich wie Saviors verhalten.

Die Autorinnen und Autoren berichten über eindrückliche persönliche Erfahrungen. So hat Amjad Mohamed Saleem in Südasien für verschiedene Organisationen in Friedensförderung und humanitärer Hilfe gearbeitet, besonders für muslimische NGOs. Symbol für das weiße Privileg ist für ihn der kugelsichere SUV mit Klimaanlage, schwarzem Fahrer und dem Logo der nicht selten christlichen Organisation, für die die weiße Person im Auto tätig ist. Bei einem Einsatz in einem Konfliktgebiet in Sri Lanka wurde Saleem von Militärs erklärt, ohne einen solchen SUV mit Logo und Flagge einer registrierten NGO genieße er keinen Schutz durch die Armee. 

Retter mit kriegerischer Mission

Der White Savior lässt sich nicht nur im SUV durch Kriegsgebiete kutschieren – er hat laut dem Buch oft auch selbst eine kriegerische Mission. Leila Benhadjoudja, Professorin am Institut für Feminismus und Gender Studies der Universität Ottawa, führt aus, der Westen stelle sich in alter kolonialer Tradition als Emanzipator und Verteidiger der Menschenrechte dar, die Länder des Südens hingegen als „unterentwickelt“ und „hilfsbedürftig“. Um seiner „Hilfspflicht“ nachzukommen, führe er einen „gerechten Krieg“. So präsentierten sich laut Benhadjoudja die westlichen Mächte im „Krieg gegen den Terror“ als Retter afghanischer Frauen, während sie in Wirklichkeit vor allem die geopolitische Position der USA stärken wollten. 

Das Buch bietet viel Theorie, aber auch praktische Beispiele und Erfahrungen aus erster Hand. Und viel diskussionswürdige Kritik. 

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