Die Zahl der getöteten Zivilisten wie Soldaten, der Verletzten wie Traumatisierten in Afghanistan steigt seit Jahren. Es dämmerte den Verantwortlichen: Dieser Krieg ist nicht zu gewinnen – wenn er nicht schon verloren ist. Die Lage im Land und die Interessen der in- und ausländischen Beteiligten sind komplex und oft widersprüchlich. Die Brandenburger Rosa-Luxemburg-Stiftung hat sich im vergangenen Jahr bei einem Symposium mit den Faktoren beschäftigt, die dem Misserfolg der westlichen Strategie in dem Land am Hindukusch zugrunde liegen. Die Beiträge dazu sind in dem vorliegenden Band dokumentiert.
Ramasan Daurow, Hauptmann der Reserve, beleuchtet das sowjetische Eingreifen 1979 in den afghanischen Bürgerkrieg. Er gelangt zu dem Schluss, dass die Sowjetarmee der „anderen“ Logik des Krieges (Guerillas gegen reguläre Truppen) nicht gewachsen war, und fügt hinzu, dass das Engagement Moskaus die afghanische Gesellschaft weiter gespalten und die Lage im Land destabilisiert hat. Daurow untersucht, wo die politischen Fehlkalkulationen Moskaus angesiedelt waren, wo im Einzelnen die Ursachen für das Scheitern der sowjetischen Militärintervention liegen und welche welthistorischen Folgen eintraten.
Viele Ansätze für politische Lösungen
Der Indologe Karl Fischer, der im Afghanistan Analysts Network mitarbeitet, untersucht die inneren Faktoren für die Krise in Afghanistan. Beim Versuch, eine Allparteienregierung zu bilden, sei ein ethnisches Ungleichgewicht zu Gunsten der tadschikischen und usbekischen Volksgruppen entstanden, das bis heute die nationale Aussöhnung behindere.
Vetternwirtschaft, inkompetente und korrupte Verwaltungen, Straffreiheit bei Kriegsverbrechen und der verzögerte Aufbau von rechtstaatlichen Strukturen behinderten ebenfalls eine stabile Entwicklung. Fischer belässt es nicht bei einer Sachstandsanalyse, sondern unterbreitet eine Reihe von Ansatzpunkten und Wegen für politische Lösungen.
Der Diplompädagoge und Oberstleutnant der Bundeswehr a.D. Jürgen Rose betont, die Nato führe allein aus geostrategischen und geoökonomischen Interessen Krieg in Zentralasien. Ein Fortschritt für das Land könne militärisch nicht erreicht werden. Für den Historiker Diethelm Weidermann steht außer Frage, dass eine lang anhaltende Krise von Gesellschaft, Modernisierung und Identität den eigentlichen Konflikt in Afghanistan ausmacht. Er formuliert Vorschläge für Auswege aus der verfahrenen Situation am Hindukusch, doch ist er für die Zukunft eher skeptisch. Dieter Hampel
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