In den Armen des Pandas

Wilfried Huismann
Schwarzbuch WWF
Dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda

Güthersloher Verlagshaus, Güthersloh 2012,
256 Seiten, 19,99 Euro


Der Dokumentarfilmer und Buchautor Wilfried Huismann wirft dem Naturschutzverband WWF die Kooperation mit Umweltzerstörern vor. Die WWF-Geschäftsführung reagierte prompt: Der Streit ging bis vor das Kölner Landgericht.

Der 50 Jahre alte Worldwide Fund for Nature (WWF) ist der größte Naturschutzverband der Welt und seine Marke, der schwarzweiße Panda, das bekannteste Umweltsiegel. Die Organisation mit Zentralsitz in der Schweiz arbeitet auch mit den größten multinationalen Konzernen der Agrar-, Chemie- und Gentechnikindustrie zusammen. Der Bogen reicht von Firmenspenden bis hin zu strategischen Kooperationen. Und dies ganz bewusst: Ohne und gegen die Wirtschaft lasse sich kein nachhaltiger Naturschutz durchsetzen, so die Überzeugung der Aktivisten, die sich als „Anwälte der Natur“ verstehen.

Der Verband sieht sich dazu berufen, als Regulativ einer sonst grenzenlosen Umweltvernichtung zu wirken. Von ihm mit ins Leben gerufene Runde Tische legen Kriterien für einen umweltschonenden und sozial verträglichen Anbau von Palmöl und Soja fest und zertifi zieren Agrarsprit. Der WWF ist Initiator des Nachhaltigkeitssiegels FSC für Holz und des Fischfangsiegels MSC. Dank seines Einsatzes konnten in den vergangenen Jahren bedeutende Nationalparks geschaffen und geschützt werden. Allein in Deutschland hat der WWF 435.000 Mitglieder und Millionen Menschen spenden der Organisation ihr Erspartes. Glaubwürdigkeit ist für den WWF der wichtigste Wert.

Doch genau der kommt nun stark ins Wanken. Zurzeit erlebt der WWF in Deutschland einen medialen Glaubwürdigkeits-Gau. Der Bremer Dokumentarfilmer und Buchautor Wilfried Huismann hat im vergangenen Jahr die unrühmliche Geschichte, die Strukturen und Projekte der Umweltschutzorganisation unter die Lupe genommen und darüber einen Fernsehfi lm „Der Pakt mit dem Panda“ gedreht. Im April erschien sein „Schwarzbuch WWF – Dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda“.

Die Ergebnisse seiner Recherchen sind erschreckend und für den WWF vernichtend – wenn sie denn wahr sind. Huismann behauptet, dass der Verband nicht nur ein netter Kumpel der Konzerne sei, sondern mit skrupellosen Energiemultis paktiere, die die letzten Regenwälder vernichten, um mit Agrarsprit gigantische Geschäfte zu machen. Darüber hinaus beteilige sich der WWF indirekt an der Vertreibung von indigenen Völkern aus den Wäldern –und er fördere die industrielle Landwirtschaft auf der Basis von Gentechnik. Die Organisation leide an völliger Selbstüberschätzung, wenn sie glaube, verbrecherische und profitgierige Umweltzerstörer umarmen zu können, so Huismann. Den WWF vergleicht er mit einem Putzerfisch im Rachen eines Hais, der annehme, ihn durch sein Wirken in eine andere Richtung lenken zu können. Laut Huismann wäscht der WWF am Runden Tisch für Palmöl nur die dreckige Weste der Umweltsünder weiß. Ohne ihn würde der Nachhaltigkeitsschwindel nicht funktionieren. Wie soll der Wald geschützt werden, wenn er vorher für Ölpalmen abgeholzt wird? Der Einsatz von Pestiziden auf den Plantagen tötet alles Leben und verseucht die Böden. Nachhaltige Monokulturen könne es daher nicht geben.

Der Autor wirft dem WWF Heuchelei vor. Er sei für die Zerstörung der Natur mitverantwortlich, die er zu schützen vorgibt. Dem reportagehaft en Buch merkt man an einigen Stellen an, dass es mit Wut, einem Anflug von Verschwörungstheorie und teilweise fraglichen journalistischen Mitteln geschrieben wurde. Genüsslich führt der Medienprofi beispielsweise eine junge Mitarbeiterin des WWF Deutschland vor, die zuvor Assistentin der Geschäftsführung des Verbandes der Ethanol-Industrie war, und zitiert aus vertraulichen Gesprächen mit der Pressestelle.

Der WWF Deutschland widerspricht den Aussagen Huismanns vehement und fährt große Geschütze auf. Die Recherchen seien schlampig, ideologisch und es würden falsche Tatsachenbehauptungen aufgestellt. „Wir sehen uns verunglimpft und diffamiert“, erklärte die Geschäftsführung und beauftragte einen Spitzenanwalt. Der erwirkte einstweilige Verfügungen auf Unterlassung, die Mitte Juni vor dem Landgericht Köln verhandelt wurden. Das Gericht empfahl eine gütliche Einigung; Huismann und sein Verlag verpflichteten sich, Aussagen einer bestimmten WWF-Funktionärin in einer zweiten Auflage des Buches nicht zu wiederholen.

Bereits vor der Verhandlung hatten sich die Anwälte der Umweltorganisation schrift lich an den Buchverlag und die Buchhändler gewandt und damit gedroht, dass ihnen „umfängliche Unterlassungsansprüche gegen sämtliche Störer“ zustünden, falls das Werk in Umlauf käme. Daraufh in haben die meisten großen Handelshäuser und Online-Shops das Buch aus dem Sortiment genommen. Ein bislang einmaliger Vorgang der Selbstzensur, der zu einem Aufschrei des Protestes bei Journalisten und Autoren führte. Sollte das Vorgehen Schule machen, könnte bald kein kritisches Sachbuch mehr erscheinen, ohne dass es vorher gerichtlich freigegeben wurde.

Den 170 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des WWF Deutschland gehen die Diskussionen unter die Haut. Sie haben eine „Taskforce Huismann“ eingerichtet und setzen sich ausführlich auf der Internetseite mit den Vorwürfen auseinander. Ein Gutes hat das Ganze: Die Organisation hat sich noch nie so intensiv und kritisch mit der eigenen Geschichte, der Verbandspolitik und ihren Projekten auseinander setzen müssen wie jetzt. Eine Katharsis kann folgen, die wohl überfällig ist.


Stefan Kreutzberger

 

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