Bilderbogen ohne tiefere Erkenntnis

Al Imfeld
Afrika als Weltreligion.
Zwischen Vereinnahmung und Idealisierung

Stämpfli Verlag, Bern 2011,
184 Seiten, 29,80 Euro

Al Imfeld präsentiert in einer bunten Mischung unterschiedlicher Textformen und verschiedener Blickwinkel seine Sicht auf Afrika. Damit möchte er Zeugnis geben von seiner fast 60-jährigen Auseinandersetzung mit afrikanischer Religion und Spiritualität innerhalb und außerhalb des Kontinents. Von der wissenschaftlichen Herangehensweise hält er nichts, wie er eingangs erklärt. Und das ist eine schlechte Voraussetzung für eine profunde, kritische und nötige Auseinandersetzung mit der Afrikaforschung und ihrer Geschichte. Keine Frage: Imfeld kennt sich aus in den 54 Ländern des Kontinents und verfügt über persönliche Erfahrungen in Mission und Entwicklung. Der bunte Bilderbogen, den er dem Leser vorlegt, enthält eine Reihe von richtigen und interessanten Beobachtungen – aber leider auch viele pauschale Urteile insbesondere über die Erforschung Afrikas und seiner Religionen.

Manches ist schlicht unhaltbar. So ist die Behauptung, dass noch in den 1960er Jahren „eine Studie zu afrikanischer Religion…undenkbar“ war, Unsinn, wie ein Blick in die Literaturangaben der entsprechenden Artikel in den jüngsten Auflagen der Enzyklopädie„Religion in Geschichte und Gegenwart“ zeigt. Dem Autor ist es offenbar ein Ärgernis, dass die afrikanischen Religionen nicht mit den „Weltreligionen“ auf gleicher Ebene verhandelt werden und die gleiche Aufmerksamkeit erfahren haben. Das kann man in der Tat beklagen. Zu diskutieren wäre dann aber, was der Begriff „Weltreligion“ bedeuten kann und welchen Sinn es hat, ihn für Afrika zu postulieren. Die im Titel enthaltene These, Afrika sei eine Weltreligion, ist extravagant, mindestens aber missverständlich. Ein geografisches und kulturelles Konstrukt wird zur Weltreligion erklärt, weil Afrikaner überall in der Welt leben und insbesondere in Latein- und Nordamerika sowie in der Karibikkultur- und religionsprägend wirken. Was soll es bedeuten, dass der Autor Afrika zum einen als „Ideologie“ und als in den Köpfen westlicher Forscher entstanden bezeichnet und es zum anderen als „Weltreligion“ postuliert? Wie soll man es verstehen, wenn er behauptet, nach kolonialer Doktrin habe Schwarzafrika keine Geschichte haben können und sei dem Mythos überlassen worden, andererseits aber im Blick auf Afrikas Menschen selbst die These aufstellt „Mythen sind wichtiger als Fakten“?

Das Buch mit seinem Sammelsurium von Beobachtungen und daraus abgeleiteten Behauptungen macht mich ratlos. Es fehlt, was bei der Abneigung des Autors gegen Wissenschaft nicht verwundert, an systematischer Durchdringung, an differenzierter Reflexion und an sachgemäßer Auseinandersetzung mit der Afrikanistik. Es wäre der Arbeit zuträglich gewesen, wenn Imfeld seine Kritik und seine Thesen ausführlicher begründet und belegt hätte. So bleibt er auf dem oberflächlichen Niveau gewisser Fernseh-Dokumentationen: Sie bieten zwar durchaus Informationen, liefern aber keine tiefere Erkenntnis.


Rudolf Ficker

 

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