Andere Wege zum Frau-Sein

Melanie Feuerbach
Alternative Übergangsrituale.
Untersuchung zu Praktiken der weiblichen Genitalverstümmelung im subsaharischen Afrika und deren Transformationen im Entwicklungsprozess

VS Verlag, Wiesbaden 2011
305 Seiten, 34,95 Euro

Weltweit sind bis zu 140 Millionen Frauen und Mädchen genital beschnitten. Besonders verbreitet sind Beschneidungsrituale am Horn von Afrika, in Ost-und Westafrika. Allerdings kommt diese Praxis in mehr als 28 Ländern Afrikas und Asiens vor. Laut aktuellen Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) müssen sich jährlich etwa drei Millionen Mädchen den Eingriffen unterziehen. Seit der Weltfrauendekade (1975-1985) und der Weltbevölkerungskonferenz 1994 in Kairo steht das Thema auch auf der entwicklungspolitischen Tagesordnung. Das hatten Frauenrechtaktivistinnen und Ärztinnen aus Ländern des Südens erreicht.

Vielerorts müssen Entwicklungsorganisationen Gegenstrategien entwickeln, denn sie sind mit den schädlichen Folgen der genitalen Beschneidungen konfrontiert, darunter den hohe Raten an Müttersterblichkeit. Die vorliegende Studie erklärt am Beispiel Kenias, wie schwierig die Abschaffung genitaler Verstümmlungen in der entwicklungspraktischen Arbeit ist. Die Autorin führt aus mehreren Perspektiven an das Problem heran und stellt innovative Lösungsstrategien vor. In ihrer Analyse, die auf einer Dissertation an der Universität Bremen basiert, geht es vor allem um den Wandel von Ritualen und die Akzeptanz alternativer Initiationsrituale für Mädchen.

Feuerbach erklärt zunächst Theorien zum Kulturwandel im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit. Außerdem veranschaulicht sie die sozio-kulturelle Bedeutung von Übergangsritualen und Ritualdynamiken. Im Zentrum stehen unterschiedliche Ansätze zur Abschaffung der Genitalverstümmelung in Kenia. Das Buch dokumentiert die Versuche, diese Praxis zu unterbinden, in der Kolonialzeit und danach sowie die Reaktionen der lokalen Bevölkerung. Diese historischen Rückblicke sind wichtig, um die heutige Akzeptanz oder Ablehnung alternativer Rituale zu verstehen.

Basierend auf eigenen Forschungen gewährt Feuerbach Einblicke in die Lebenswelt der lokalen Bevölkerung. Indem Frauen und Mädchen zu Wort kommen, wird ihre Sicht auf Innovationen und Interpretationen von Kultur plausibel. Anschaulich werden die Kontroversen über den Erhalt oder die Transformation von Traditionen geschildert. Frauen und Mädchen, die couragiert alternative Rituale organisieren oder daran teilnehmen, werden zum Teil heftig angefeindet.

Vor diesem Hintergrund wird das Vorgehen einer nationalen Frauenorganisation, der Entwicklungsorganisation World Vision sowie einer Selbsthilfegruppe erläutert und miteinander verglichen. Tenor der daraus abgeleiteten Empfehlungen für die Entwicklungszusammenarbeit ist: Die innovativen Potenziale lokaler Gruppen sollten gestärkt werden. Sie haben oft in Eigeninitiative und aufbauend auf andere erfolgreiche Entwicklungsaktivitäten neue Rituale für den Übergang von Mädchen in das Frau-Sein erfunden, für deren Fortführung und Verbreitung ihnen aber die Mittel fehlen. Diese integrieren kulturelle Elemente früherer Rituale, wie die rituelle Zuweisung des Erwachsenenstatus, und binden ganze Dorfgemeinschaften ein. Erforderlich sind somit integrierte Programme, die an den Bedürfnissen der Selbsthilfegruppen ansetzen und deren kultursensible Aktivitäten vernetzen.


Rita Schäfer

 

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