Traditionelles Wissen fördert Innovationen

Stephan Albrecht (Hg.)
Weltagrarbericht.
Bericht zu Afrika südlich der Sahara
Hamburg University Press,
Hamburg 2012, 389 Seiten, 39,80 Euro
Online verfügbar


Der Bericht des Weltagrarrates zu Afrika südlich der Sahara liegt jetzt auf Deutsch vor. Er liefert ein stimmiges Bild der landwirtschaftlichen Entwicklungen in der Region und zeigt auf, wie die Zukunft aussehen sollte.

Der mühevollen Netzwerkarbeit der Vereinigung deutscher Wissenschaftler (VDW) ist es zu verdanken, dass der Bericht des Weltagrarrats (IAASTD) zur Lage der Landwirtschaft eine so starke Verbreitung in Deutschland gefunden hat. Nach dem „Synthesebericht“ im vergangenen Jahr ist nun der erste der regionalen Berichte – über die Landwirtschaft Afrikas südlich der Sahara – auf dem deutschen Buchmarkt. Mit gutem Grund: Afrika ist in der landwirtschaftlichen Entwicklungs- und Ernährungsdebatte der Kontinent mit den größten Schwierigkeiten.

Im ersten Drittel des Buches werden recht plakativ die Probleme der landwirtschaftlichen Entwicklung in Afrika aufgelistet. Im Zentrum steht die Analyse der Wissenssysteme, und dieser Zugang macht den Mehrwert aller IAASTD-Berichte aus. Der Schwerpunkt auf das Wissen, seine Generierung, Weitergabe und Anwendung, verlangt eine Sichtweise, die die Menschen als Agenten der Entwicklung im Fokus behält. So besticht der Bericht durch seine Analyse von Zusammenhängen, die sonst eher am Rand erwähnt werden: Genderfragen, Gesundheitsprobleme sowie das traditionelle Wissen und seinen Bezug zu den Wissenschaften.

Die Bundesregierung und deutsche Mainstream-Agrarexperten haben wiederholt versucht, den IAASTD-Bericht in die Öko-Ecke zu stellen und damit zu diskreditieren. Diese Kritik wird dem Denkansatz der Autoren nicht gerecht. Zwar heben sie in ihrem Bericht die Schwachstellen, das Scheitern und die problematische Verwendung von industriellen Mitteln und Methoden in der afrikanischen Landwirtschaft hervor, etwa den Einsatz von Pestiziden oder synthetischem Dünger.

Doch sie suchen zugleich nach einem richtigen Maß und den passenden Bedingungen für solche Anwendungen und referieren Alternativen. Indem betont wird, wie wichtig das lokale, traditionelle Wissen als Ausgangpunkt für Innovationen ist, wird aus der pragmatischen  Sicht automatisch ein Plädoyer für ein öko-agrikulturelles Konzept – das jedoch laut Bericht nicht mit dem Ökolandbau nach den Regeln der Internationalen Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen verwechselt werden darf. 

Wohltuend ist an diesem Ansatz auch, dass nicht die Technologien oder der Kapitaleinsatz im Mittelpunkt stehen. Weil es um das Wissen der Menschen geht, ist das Kriterium die Vermittelbarkeit der notwendigen Neuerungen, also Fragen des Bildungswesens, der Beratungsmethoden, der Curricula und der Didaktik auf dem Hintergrund der sozio-kulturellen Bedingungen Afrikas und der institutionellen Wirklichkeit. Statt wie bei „neuen Grünen Revolution“ von den genetischen Eigenschaften der Pflanzen auszugehen, stellt der Bericht stark auf die Bodenpflege ab, die angesichts des hohen Ausmaßes an Bodendegradation in Afrika bitter notwendig ist.

Das bringt ihn erneut in die Nähe des Ökolandbaus. Dieser Zugang stellt wieder das Wissen und Können der Bauern in den Vordergrund, denn das ist für die Pflege der Fruchtbarkeit und der Funktionsfähigkeit der Böden entscheidend. Nicht ein einzelnes Kapitel oder Argument machen den Bericht einzigartig, sondern die gesamte Sichtweise. Sie gibt ein konsistentes Bild von Afrikas Agrarentwicklung wieder – und zeigt auf, wie diese weitergehen müsste.

Rudolf Buntzel

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