Wege aus der Unmündigkeit

Hans-Gert Braun
Armut überwinden durch Soziale Marktwirtschaft und Mittlere Technologie.
Ein Strategieentwurf für Entwicklungsländer

LIT Verlag, Berlin 2010, 304 Seiten,
39,90 Euro

Nachdem Brigitte Erler mit ihrem Buch „Tödliche Hilfe“ 1985 die Diskussion über Sinn und Unsinn von Entwicklungshilfe in die Schlagzeilen gebracht hatte, wurde es zunächst wieder ruhiger um dieses Thema. Seit dem letzten Jahrzehnt wird aber wieder hart darüber diskutiert – etwa von Dambisa Moyo, James Shikwati, William Easterly, Volker Seitz und Peter Niggli. Viele Entwicklungsorganisationen arbeiteten dennoch weiter wie bisher – nach politischen Prioritäten und zum Nutzen unzähliger „Entwicklungsmakler“ auf allen Ebenen.

Zwar gibt es langfristige, nachhaltig wirkende Programme, aber auch viele kurzlebige Projekte, die wenig Nutzen bringen und nicht selten sogar Schaden anrichten. Das Millenniumsziel der Vereinten Nationen, die weltweite Armut bis 2015 zu halbieren, wird wohl ebenso wenig erreicht wie andere offiziell verkündete Entwicklungsziele. Bei der Suche nach Auswegen aus der offensichtlichen Krise der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) fällt das neue Buch von Hans-Gert Braun ins Auge. Der Inhalt hält, was der Titel verspricht. Braun geht von zwei Prinzipien aus: Dem Prinzip der Subsidiarität als Grundlage der Entwicklungspolitik und dem Grundsatz, dass Armut in erster Linie durch Selbsthilfe der Betroff enen zu überwinden ist. Subsidiarität bedeutet, nur dann zu helfen, wenn sich der einzelne nicht selbst helfen kann; privaten Selbsthilfegruppen und nichtstaatlichen Organisationen (NGO) den Vorrang vor staatlicher Hilfeleistung zu geben; und inländische Maßnahmen gegenüber ausländischer Entwicklungshilfe zu bevorzugen. Braun betont, bei EZ gehe es nicht in erster Linie um Ressourcentransfer, sondern darum, langfristig die Grundlagen für eigenständige Entwicklung zu schaffen. Die deutsche Entwicklungshilfe ist indes bis heute stark auf Ressourcentransfer ausgerichtet.

Braun plädiert für Armutsbekämpfung durch Mobilisierung der Produktionsfaktoren Arbeit und Boden. Für Länder, in denen Arbeitskraft im Überfluss vorhanden und Kapital knapp ist, seien „mittlere“ Technologien angemessen, das heißt solche, die viel Arbeit und wenig Kapital verlangen. Besonders die Landwirtschaft verfüge über altbewährte, kostengünstige Techniken. Auf sie zu setzen, sei jedoch ein politisches Problem, wenn armen Ländern modernste Technologie vorenthalten wird. In den Industrieländern fehle ferner das Interesse, moderne, umweltfreundliche mittlere Technologien zu entwickeln. Dies könne sich aber mit der Nachfrage auf den Märkten der Entwicklungsländer schnell ändern.

Am Beispiel Singapur zeigt Braun, wie in vielen Entwicklungsländern die wahren Gründe für leere Staatskassen behoben werden könnten: Sicherung marktwirtschaftlicher Strukturen, Bekämpfung von Korruption und Investitionen in die Infrastruktur. In einem weiteren Abschnitt gibt er eine kritische Übersicht über die Programme der internationalen EZ, etwa der Weltbank und der USA. Statt vergeblich darauf zu hoffen, dass von wirtschaftlichen Erfolgen eines Landes irgendwann einmal auch die Armen profitieren, schlägt Braun vor, Programme der Armutsbekämpfung nach von den Beteiligten formulierten Prioritäten zu fördern. Die langfristige Entwicklung einer kleinbäuerlichen Landwirtschaft kann aber nur erfolgreich sein, wenn sich die vielen Kleinproduzenten freiwillig zu Selbsthilfeorganisationen zusammenschließen. In der Praxis arbeiten bereits zahlreiche Genossenschaften, doch ihr Potenzial ist ausbaubar.

Braun fasst in seinem Buch die Fülle von Kenntnissen und Erfahrungen, die er in mehr als 30 Jahren in der EZ erworben hat, überzeugend und gut lesbar zusammen. Nützlich sind das Sach- und Namensregister und das umfangreiche Literaturverzeichnis. Seine Strategie für die EZ kann ohne Vorbehalt empfohlen werden – ebenso wie die Lektüre seines Buches.


Hans-H. Münkner

 

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