Mutige Kampfschrift

Joumana Haddad
Wie ich Sheherazade tötete
Bekenntnisse einer zornigen arabischen Frau

Verlag Hans Schiler, Berlin/Tübingen 2010,
124 Seiten, 18 Euro


Das ist weniger eine Lektüre als eine Begegnung – mit einer wahrhaft zornigen arabischen Frau. Die libanesische Publizistin Joumana Haddad lässt von Anfang an keinen Zweifel an ihren Absichten: „Ich werde Illusionen zerstören, Träume entzaubern, Schreckgespenster verjagen und vorgefertigte Meinungen demontieren“, lässt sie bereits zu Beginn des ersten Kapitels wissen. Das gilt nicht nur für westlicher Leserinnen und Leser, sondern auch und vor allem für ihre „arabischen Mitmenschen“. Und denen liest sie zunächst kräftig die Leviten: Schizophrenie, Herdentrieb und Stillstand kennzeichneten ihr Leben, Frauen und Männer gleichermaße

Von den Revolutionen, die Anfang 2011 die Region erfasst haben, konnte Haddad natürlich zum Zeitpunkt ihres Schreibens noch nichts wissen. Möglicherweise würde sie nun in einigen Dingen anders urteilen. Aber die Auseinandersetzung mit den Arabern insgesamt ist nur die Hinführung zu ihrem eigentlichen Thema, der arabischen Frau. Die sieht sie zunächst als Opfer von Klischees und Fehlwahrnehmungen, die sie als hilflos darstellen, den Männern unterworfen, ohne eigenen Willen und in ihr Schicksal ergeben. Mit ihrer eigenen Geschichte will Haddad zeigen, dass dieses Bild unvollständig und ein anderes Leben möglich ist.

Mit beeindruckender Offenheit schildert sie, wie sie als sehr junges Mädchen die erotische Literatur entdeckte und bald darauf anfing, selbst Gedichte zu schreiben. Ihr Thema: der Körper, dessen Teile sie, anderes als in der arabischen Dichtung üblich, unverblümt bei ihrem Namen nennt – sehr zum Entsetzen ihres Vaters. Noch größer war der öffentliche Skandal, als Joumana Haddad 2009 die Zeitschrift „Jasad“ (Körper) gründete. Beschimpfungen und Drohungen folgten auf dem Fuß, aber diese Angriffe hat sie nach eigenen Angaben „weitgehend unbeschadet“ überstanden. Zum Schweigen bringen ließ sie sich jedenfalls nicht.

Haddad schreibt in ihrem Buch über die Stadt Beirut, mit der sie eine Hassliebe verbindet, über Zensur, Literatur, Weiblichkeit und Religion. Das folgt an manchen Stellen etwas ungeordnet aufeinander und driftet immer wieder ins Pauschale – auch wenn sie gerade das ausdrücklich zu vermeiden trachtet. Die titelgebende Sheherazade, die Märchenerzählerin aus 1001 Nacht, ist für Joumana Haddad übrigens nur ein „nettes Mädel mit einer lebhaften Fantasie und einem ausgeprägten Verhandlungsgeschick“. Vehement wehrt sie sich dagegen, dass diese als „Symbol der weiblichen Opposition“ stilisiert wird – im Namen des Widerstandes bleibt also nichts anderes übrig, als sie zu „töten“.

Spannend wird es dann, wenn Haddad von sich persönlich erzählt und mit Selbstironie ihre kleinen Eigenheiten einstreut. Da wächst der Respekt vor so viel Widerstandskraft, Leidenschaft und Klugheit. Trotzdem: Ein Gespräch mit ihr, eine echte Begegnung, wäre sicher ungleich interessanter als dieses Buch.


Gesine Kauffmann

 

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