China und die Welt: Eine Einführung

 

Dirk Schmidt, Sebastian Heilmann
Außenpolitik und Außenwirtschaft 
der Volkrepublik China
Springer VS, Wiesbaden 2012, 
201 Seiten, 17,99 Euro

Dabei gehen sie von der Selbstsicht der an Chinas Außenpolitik Beteiligten aus. Die Wahrung der nationalen Souveränität sowie der äußeren Bedingungen für wirtschaftliche Entwicklung seien Kernziele Pekings – es wolle aber auch verhindern, dass China international isoliert wird. Das Buch zeigt, dass außenpolitische Strategien und Instrumente, um diese Ziele zu erreichen, unter Chinas Entscheidern strittig sind und sich verändert haben – etwa hin zu mehr Mitgestaltung in globalen Fragen.


Dies hängt mit der Einbindung Chinas in die Weltwirtschaft zusammen, deren Grundzüge Schmidt und Heilmann gut schildern. Auch hier kehren sie gewohnte Sichtweisen um. Sie zeigen etwa, dass der von den USA beklagte Handelsüberschuss Chinas zum guten Teil ein Trugbild ist: China importiert einen großen Teil der Vorprodukte, zum Beispiel von Computern, aus anderen Ländern Asiens. Würden die USA die Computer selbst montieren, dann müssten sie die Vorprodukte einführen und hätten ein kaum vermindertes Handelsbilanzdefizit – bloß nun mit anderen Ländern. Und das Wechselkursregime, das für eine Unterbewertung des Yuan sorgt und so Chinas Exporte fördert, sei auch für chinesische Wirtschaftsplaner und die Zentralbank ein Problem; sie könnten aber gegen das Handelsministerium nur langsame Änderungen durchsetzen.

Dass das Buch Interessenkonflikte zwischen den an Chinas Außenpolitik Beteiligten aufspürt und fragt, wie Entscheidungen dort zustande kommen, gehört zu seinen Stärken. Seine originellste These lautet denn auch, dass die Kontrolle der Zentralregierung über die Außenbeziehungen sich zusehends lockert. Heilmann und Schmidt unterscheiden vier Dimensionen dieser Beziehungen: Die „imperiale“ Außenpolitik ziele auf den Status einer Großmacht für China, sei zentral kontrolliert und langfristig geplant. Die zweite Dimension, die der Interdependenz, wirke der einseitigen Machtausübung entgegen: China ist speziell den Vereinigten Staaten in gegenseitiger Abhängigkeit verbunden und in ein Netz von internationalen Verträgen und Organisationen eingebunden, so dass es „verantwortliche Großmacht“ sein wolle.

Gerade in der Außenwirtschaftspolitik wirkten zudem viele Gremien und Interessen mit- und gegeneinander. Die Zentralregierung setze oft nur Prioritäten und überlasse die Umsetzung Provinzregierungen, Kommunen oder Staatsunternehmen – etwa beim Aufbau chinesischer Sonderwirtschaftszonen in Afrika oder Lateinamerika. Diese Dimension bezeichnen Schmidt und Heilmann als dezentralisierte Außenbeziehungen „im Schatten des Imperiums“. Die vierte Dimension sei die der „Guerilla“: Ein transnationales Netz der Schattenwirtschaft und Kriminalität habe sich gebildet, das sich der Kontrolle Pekings weitgehend entziehe. Dazu zählten nicht nur Menschen- und  Drogenschmuggel, sondern auch Untergrundfabriken in Chinas Nachbarländern oder chinesische Firmen, die Rohstoffe im Ausland illegal abbauen.

Eigene Kapitel widmen die Autoren der Taiwan-Frage – hier sei Pekings Haltung völlig starr –, der Menschenrechtspolitik – hier erkennen sie eine leichte Lockerung – und der Klimapolitik, wo die Regierung mehreren Dilemmata gegenüberstehe und ihre Haltung deutlich verändert habe. Auch den Beziehungen zu den USA, zu Japan und Korea sowie zu Europa und Deutschland sind besondere Kapitel gewidmet, nicht allerdings dem Verhältnis Chinas zu Indien, und Südostasien wird nur kurz behandelt. Trotz dieser Lücken bieten Heilmann und Schmidt eine hervorragende Einführung  in Chinas Außenpolitik und sachkundige, nüchterne Einschätzungen dazu. Das Buch ist weitgehend frei von unnötigem Theorie-Ballast und, auch wenn es als Nachtlektüre weniger geeignet ist, durchweg verständlich und lesbar. Kurz: sehr zu empfehlen. (Bernd Ludermann)

Neuen Kommentar hinzufügen

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
CAPTCHA
Wählen Sie bitte aus den Symbolen die/den/das Roller aus.
Mit dieser Aufforderung versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt.
Diese Sicherheitsfrage überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind und verhindert automatisches Spamming.

Schlagworte

Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!
„welt-sichten“ schaut auf vernachlässigte Themen und bringt Sichtweisen aus dem globalen Süden. Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung. Warum denn das?
Ja, „welt-sichten“ ist mir etwas wert! Ich unterstütze es mit
Schon 3 Euro im Monat helfen
Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!