Die Öko-Diktatur als falsche Versuchung

Bernhard Pötter
Ausweg Öko-Diktatur? Wie unsere Demokratie an der Umweltkrise scheitert
oekom Verlag, münchen 2010,
93 Seiten, 8,95 Euro

Demokratien westlicher Prägung bringen Frieden, Sicherheit und Wohlstand, aber sie scheitern an der Zukunftsvorsorge. Warum das so ist und wie man es ändern kann, fragt der Journalist Bernhard Pötter in seinem anregenden Essay. Erst die Demokratie habe Umweltbewegungen ermöglicht, bemerkt er. Diese bekämpften die Verschmutzung zu Hause, gingen aber globale Gefahren wie den Klimawandel nicht angemessen an. Denn Einschränkungen des Lebensstils könnten in einer Demokratie nicht autoritär verordnet werden. Umwelttechnik und grüner Konsum allein genügen laut Pötter nicht. Grundsätzlich vertragen sich Einschränkungen mit Demokratie - schließlich nehmen wir sie hin, wo sie mit Sicherheitsfragen oder wirtschaftlichen Sachzwängen begründet werden oder in Missständen wurzeln, an die wir gewöhnt sind. Diese Kritik des „Freiheitsradikalismus", der individuelle Wahlfreiheit absolut setzt, gehört zu den Stärken des Buches.

Die Idee, dass Diktaturen für die Umwelt besser sind, verwirft Pötter - unter anderem weil die zu Großtechnologie neigten und Innovationen hemmten. Er fordert, die Demokratie so fortzuentwickeln, dass die Anerkennung der ökologischen Grenzen ins System eingebaut wird. Das ist möglich, wenn man die nötigen Institutionen schafft, sagt er und widerspricht damit dem Untertitel. Er schlägt eine Europäische Zukunftsbank vor, die entweder über Steuern den Umweltverbrauch verteuern oder direkt Vorgaben für Unternehmen und Staaten machen soll. Einklagbare Obergrenzen für den Verbrauch sollten in die Grundrechte-Charta der Europäischen Union (EU) aufgenommen werden. Wie demokratisch das wäre und ob es funktionieren würde, bleibt offen.

Pötter hofft dafür auf den Mut der Regierungen zu unpopulären Entscheidungen, auf Interessen der Wirtschaft und auf soziale Bewegungen - also auf Kernbestandteile jener Demokratie, die doch an der Umweltfrage gescheitert ist. Diese Inkonsequenz hat mit der größten konzeptionellen Schwäche des Essays zu tun: dem unklaren Demokratie-Begriff . So bezeichnet Pötter die EU als Demokratie, obwohl sie gar kein Staat ist. Er stellt Demokratie und Diktatur - oder autoritäre Systeme - gegenüber, als gäbe es keine Übergänge und Grauzonen dazwischen. Das verstellt den Blick auf Unterschiede zwischen Demokratien und die Frage, ob und warum manche demokratischen Systeme und Gesellschaften vielleicht eher zu Vorsorge in der Lage sind als andere. Um dies zu klären, müsste man theoretisch fundierter zum Beispiel Wahlsysteme, die Rolle der Medien oder der Eliten betrachten. Doch trotz dieser Schwachpunkte: Pötters Essay ist lesenswert und macht wichtige Kernprobleme des vorsorgenden Umweltschutzes deutlich.


Bernd Ludermann

 

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