Schwieriger Umgang mit „afrikanischen Werten“

Henning Andresen
Staatlichkeit in Afrika. Muss Entwicklungshilfe scheitern?
Brandes & Apsel, Frankfurt am Main 2010,
216 Seiten, 19,90 Euro


Es kommt öfter vor, dass Autoren die Entwicklungshilfe kritisieren, nachdem sie selbst einen großen Teil ihres Berufslebens in diesem Feld zugebracht haben. Das gilt auch für Henning Andresen, der lange für die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gearbeitet hat. Er nennt in seinem sehr gut lesbaren Buch zwei wesentliche Gründe dafür, weshalb in Subsahara-Afrika keine starken Staaten mit florierenden Marktwirtschaften entstanden sind, obwohl die Industrieländer das in der Vergangenheit scheinbar mit allen Mitteln gefördert haben.

Die erste These wird bei manchem Leser für Grummeln sorgen, weil Andresen sie ganz allgemein und somit provokant aufstellt: Entwicklung sei in Subsahara-Afrika schwieriger als anderswo, weil die Afrikaner wenig planen und die Zukunft eher auf sich zukommen lassen, weil sie an Geister und Zauber glauben, den Diskurs meiden, wo er nötig wäre, und weil ihnen der persönliche wirtschaftliche Aufstieg nicht so wichtig ist. Im Gegenteil: Viele sähen darin sogar eine Gefahr. Was zähle, seien die Familie und die Gruppe, Großzügigkeit und das Bemühen, sich nicht zu sehr von anderen zu unterscheiden, weil das Unglück bringe. Andere oder damit zusammenhängende Gründe für das Scheitern der Entwicklungshilfe wie Korruption und Zentralisierung verschweigt Andresen nicht.

Mit der zweiten wesentlichen These benennt er die Fehler der Geber in Subsahara-Afrika: zu große Ziele und Versprechen; Konzepte, die in anderen Kulturkreisen versagen; die Unterstützung von Regimen aus opportunistischen Gründen; zu viele Geber, die getrieben vom „Mittelabflusszwang“ ihr Geld auch in Ländern und Bereichen investieren, in denen Erfolge nicht wahrscheinlich sind. Dass all die Helfer ihre Programme und Projekte als mehrheitlich positiv bewerten, sagt laut Andresen nichts darüber aus, ob ein Land wirklich vorankommt. Er nennt tendenziell erfolgreiche Sektoren der Hilfe wie Mikrokredite und den Kampf gegen Krankheiten. Für die Zukunft hofft er auf mehr Wettbewerb in der Entwicklungszusammenarbeit, so dass die Empfänger der Hilfe sich auf einem „Marktplatz“ selbst aussuchen können, von wem sie welche Leistung annehmen wollen.

Sonst findet sich Altbekanntes: Afrikas Herrscher müssten von ihren Bürgern besser beim Geldausgeben kontrolliert werden. Unumgänglich seien mehr Demokratie und Kontrollen auf allen Ebenen, eine Dezentralisierung unter bestimmten Vorzeichen und politische Systeme, in denen Kompromisse und Konsensentscheidungen angestrebt werden. Andresen greift vieles auf, was offenbar in keinem Buch zum Thema fehlen darf. Er schreibt aber diszipliniert, schweift nie zu weit ab und erklärt seine Thesen pointiert.

Und die „afrikanischen Werte“? Andresen schlägt vor, Fähigkeiten wie kritisches und rationales Denken, Stolz auf eine gut ausgeführte Arbeit und Konfliktfähigkeit zu fördern. Leider bietet er nur ansatzweise Beispiele dafür. Vieles bleibt im Ungefähren. Das ist etwas enttäuschend, denn neu sind seine Ideen nicht. Es ist einmal wieder die Umsetzung, an der es hapert.


Felix Ehring

 

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