Entwicklung für Jugendliche

Sabine Kurtenbach, Rüdiger Blumör, Sebastian Kuhn (Hrg.)
Jugendliche in gewaltsamen Lebensverhältnissen, Wege aus den Kreisläufen der Gewalt
Nomos-Verlag, Baden-Baden 2010,
239 Seiten, 19,90 Euro


Jugendliche sind allzu oft Projektionsflächen. Je nach politischer Stimmungslage werden sie als Hoff nungsträger oder als Bedrohung betrachtet. Das betrifft auch die Entwicklungszusammenarbeit, soweit sie zu differenzierten Gesellschaftsanalysen bereit ist und Menschen in Ländern des Südens nicht nur als potenzielle Kreditnehmer wahrnimmt, die für ihr eigenes Fortkommen verantwortlich sind. Um so mehr richtet sich dieser Sammelband an reflektierende Planer in staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen.

Er bietet einen fundierten und ansprechend geschriebenen Überblick über grundlegende Probleme, die sich stellen, wenn man Jugendliche mit Entwicklungsprogrammen erreichen will. Der Fokus liegt auf dem Dilemma, dass zahlreiche Kinder und junge Menschen in gewaltgeprägten Gesellschaften aufwachsen. Sie erleben in ihrem familiären und sozialen Umfeld ebenso wie im Handeln der politischen Eliten, von Polizisten und Lehrern vor allem Gewalt. Zugleich werden sie selbst häufig zu Tätern.

Diesen Spannungsbogen verfolgen die Herausgeber und die insgesamt sechzehn Autoren – allesamt Experten für die Situation von Jugendlichen in Afrika, Asien und Lateinamerika. Das Buch präsentiert eine facettenreiche Zusammenstellung von Überblicksartikeln und exemplarischen Länderstudien. Etliche Beiträge nehmen Nachkriegsgesellschaften unter die Lupe und fragen, wie frühere Kindersoldaten beim Übergang in das zivile Leben sinnvoll begleitet werden können. Ihnen liegt die Erfahrung zugrunde, dass die oft hastig und schematisch umgesetzten Demobilisierungs- und Reintegrationsprogramme Probleme verschärfen.

Eindrücklich sind die Projektbeispiele aus Sierra Leone, Liberia, Kolumbien und Sri Lanka, die jugendliche Ex-Kämpfer nicht argwöhnisch als Störenfriede betrachten, sondern neue Formen der Selbstorganisation und Eigenverantwortung stärken. Sie verdeutlichen, dass Forderungen nach einer Wiederherstellung der sozialen Ordnung, in die sich Jugendliche einfügen sollen, oft kurzsichtig sind und fatale Folgen haben. Denn damit werden in der Regel die alten Eliten wieder in Ämter gehievt, deren Machtmissbrauch häufig ein Kriegsmotiv für die jungen Kämpfer war.

Weitere Fallstudien fragen nach den Sozialisierungsleistungen von Peer Groups im Verhältnis zu Institutionen wie Schulen. Entwicklungsorganisationen sind gut beraten, sich intensiver als bislang mit den Lebenswelten von Jugendlichen und innovativen Ansätzen zur Gewaltprävention auseinanderzusetzen. Gleichzeitig müssen soziale Ausgrenzung, Arbeits- und Perspektivlosigkeit und die gesellschaftliche Legitimation von Gewalt überwunden werden.


Rita Schäfer

 

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