Schwere Zeiten für die Zivilgesellschaft

Zunehmend beklagen sich zivilgesellschaftliche Kräfte vor allem in Entwicklungsländern über staatliche Restriktionen, die ihre Arbeit behindern. Auch Partner des EED sind davon betroffen. Das Motiv der Regierungen, die wachsende Zahl nichtstaatlicher Organisationen zu regulieren, ist dabei häufig nur vorgeschoben.

Gerade ist das Weltsozialforum zu Ende gegangen. Dort trifft sich seit nunmehr zehn Jahren die weltweite Szene der nichtstaatlichen Organisationen (NGOs), diskutiert und verabredet sich zur Zusammenarbeit. Zivilgesellschaftliche Kräfte sind als Entwicklungsakteure nicht mehr wegzudenken. Neben den Kirchen und zahlreichen anderen etablierten Organisationen wächst die Zahl neuer NGOs in vielen Ländern stetig. Für nichtstaatliche Geber wie den Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) ist es mitunter nicht einfach, die förderungswürdigen unter ihnen herauszufiltern. Da wundert es nicht, wenn Regierungen des Südens mit eigenen Gesetzen steuernd eingreifen wollen.

Autorin

Claudia Warning

leitet den Vorstandsbereich „Internationale Programme und Inlandsförderung“ von Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst.

Sorge muss allerdings bereiten, dass immer mehr Regierungen nicht nur die Rahmenbedingungen für NGOs setzen, sondern aktiv ihre Arbeit behindern. Ob Aserbaidschan, Indien, Kambodscha, Eritrea oder Simbabwe – die Liste ließe sich weiter fortführen. Die Einschränkungen reichen von bürokratischen Hindernissen, etwa Hürden bei der Registrierung oder der Pflicht, Finanzströme offenzulegen, bis hin zu direkten Eingriffen in die Arbeit wie Verboten, sich mit bestimmten Themen zu befassen, staatlicher Überwachung und kriminellen Übergriffen.

NGO-Gesetze sind in einer wachsenden Zahl von Ländern in Planung oder werden bereits angewendet. Organisationen, die aus dem Ausland finanziert werden, sind besonders häufig betroffen. Ein bekanntes Beispiel ist das äthiopische NGO-Gesetz, das seit 2009 in Kraft ist und zivilgesellschaftliches Engagement in bestimmten Bereichen wie Lobby/Advocacy oder Bürgerrechtskunde untersagt. In Eritrea sind die staatlichen Vorgaben derart rigide, dass kritische Organisationen kaum mehr tätig sein können und eine unabhängige, sinnvolle Entwicklungsarbeit derzeit unmöglich erscheint. Aber auch jenseits von Gesetzen ist die Zivilgesellschaft in zahlreichen Ländern Opfer staatlicher Willkür und wird kriminalisiert, bedroht und verfolgt.

Die Staaten rechtfertigen die Interventionen häufig damit, dass mehr Transparenz und eine bessere Koordination der Vielzahl zivilgesellschaftlicher Akteure nötig seien. Die Maßnahmen, mit denen sie das erreichen wollen, bereiten jedoch Sorge. Den betroffenen Organisationen bleibt oft nichts anderes übrig, als ihre Aktivitäten anzupassen und sich zu arrangieren. Dabei gilt stets: Je kritischer eine NGO, desto schwieriger ist ihre Lage, je unpolitischer ihre Arbeit, desto einfacher. Besonders betroffen sind Organisationen, die zu Menschenrechten arbeiten. Das mussten jüngst auch regierungskritische Organisationen in Israel erfahren, wo ebenfalls ein NGO-Gesetz in Vorbereitung ist.

Für die christlichen Hilfswerke in Europa stellt sich die Frage, wie sie mit dieser Situation angemessen umgehen. Eine Antwort ist nur im jeweiligen Kontext möglich. Abhängig von der speziellen Lage kann dies sogar bedeuten, sich zeitweilig aus der Förderung einzelner Länder zurückzuziehen und sich auf die Lobby-Arbeit im Norden zu konzentrieren.

Am Ziel, die Armut zu bekämpfen und die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern, ändert sich aber nichts. Dabei gilt es, neben der Lage im Land auch die eigene Rolle als Geberorganisation sowie die Politik im Norden selbstkritisch zu reflektieren. Mehr Eigenverantwortlichkeit der Partnerländer, gegenseitige Rechenschaftspflicht von Gebern und Empfängern sowie eine stärkere Einbeziehung von gesellschaftlichen und politischen Kräften außerhalb der Regierung sind auch Ziele der „Paris Declaration on Aid Effectiveness“ (2005) und der „Accra Agenda for Action“ (2008). Sie können aber nur erreicht werden, wenn der Trend zur Behinderung zivilgesellschaftlicher Arbeit gestoppt wird.

Die Potenziale der kirchlichen Entwicklungsorganisationen müssen dabei stärker ausgeschöpft werden. Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) hat deshalb eine Fachgruppe zu diesem Thema eingerichtet. Es müssen Wege gefunden werden, die zunehmenden Eingriffe zu unterbinden. Die Zivilgesellschaft weltweit muss eigenständig bleiben und gestärkt werden.

 

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erschienen in Ausgabe 3 / 2011: Welthandel: Auf dem Rücken der Armen
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