Erfolg für Brasiliens Wutbürger?

Die sozialen Proteste in Brasilien haben ein tiefes Misstrauen in die politischen Institutionen offenbart. Dennoch könnten sie – langfristig – die Demokratie stärken.

Markus Fraundorfer vom GIGA-Institut für Lateinamerika-Studien beurteilt in einem neuen Papier die Massenproteste vom Juni dieses Jahres „vorsichtig optimistisch“. Landesweite Protestbewegungen lieferten seit Beginn der Demokratisierung 1985 Impulse und Ideen für politische Reformen und Innovationen in Brasilien, schreibt er.

Dies sei etwa beim brasilianischen Programm zur Bekämpfung von HIV/Aids der Fall, das maßgeblich von zivilgesellschaftlichen Gruppen vorangetrieben wurde. Heute gelte es weltweit als Vorbild. Auch im Kampf gegen Armut und Hunger habe zivilgesellschaftliches Engagement die Politiker zum Handeln bewegt. Die Null-Hunger-Strategie, die Präsident Lula da Silva 2003 einführte, hätten Mitarbeiter des brasilianischen Bürgerinstitutes entwickelt, so Fraundorfer.

"Vetternwirtschaft ist Teil der politischen Wirklichkeit"

In seinem Papier äußert er die Hoffnung, dass die aktuellen Proteste gegen politische Korruption ebenfalls dringend notwendige Reformen anstoßen könnten. Zugleich räumt er ein, dass das ungleich schwerer wird, weil damit die etablierten Politiker selbst angegriffen werden. Viele von ihnen sähen „Korruption und Vetternwirtschaft als selbstverständlichen Teil der politischen Wirklichkeit“ an. So ist etwa Senatspräsident Renan Calheiros trotz massiver Korruptionsvorwürfe, Untersuchungen durch den Obersten Gerichtshof und einer Rücktrittskampagne mit mehr als 1,6 Millionen Unterschriften noch immer im Amt.

Präsidentin Dilma Rousseff, die im Zuge der Proteste  rapide an Ansehen verloren hat, ist in schwieriges Fahrwasser geraten. Schließlich will sie 2014 wieder gewählt werden – und dann stehen auch noch die prestigeträchtige Fußball-WM und die Olympischen Spiele ins Haus. Mit fünf Programm-Paketen, die unter anderem die Gesundheitsversorgung und das Bildungssystem verbessern sollen, hat sie die Forderungen der Demonstrantinnen und Demonstranten aufgegriffen.

Die versprochene Volksabstimmung zur Reform des politischen Systems noch vor der Wahl hat der Kongress allerdings bereits ausgebremst. Doch auch die Schlachten um die Bekämpfung von Aids und Hunger seien nicht ohne Rückschläge und zwischenzeitliche Krisen geschlagen worden, meint GIGA-Forscher Fraundorfer. (gka)

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