Fachwissen aus der Schweiz

Ein schlammiger Fluss fließt durch ein Dorf und füllt eine Straße, im Hintergrund Berge.
Anadolu/Getty Images
Aus dem Himalaya kommen starke Flutwellen: Dharali im indischen Bundesstaat Uttarakhand wird im August 2025 vom Bhagirati überschwemmt, der den Gletschern an der nahen Grenze zu Tibet entspringt.
Katastrophenvorbeugung
Die Schweiz gilt als Vorreiterin im Überwachen von alpinen Naturkatastrophen. Ihre Expertise auf dem Gebiet gibt sie im Himalaya, in Pakistan und in Zentralasien weiter.

Im vergangenen Mai wurde in der Schweiz das Dorf Blatten im Kanton Wallis mit rund 300 Einwohnerinnen und Einwohnern infolge eines Gletscherabbruchs vollständig unter einer Schutt- und Eislawine begraben. Trotzdem gab es nur ein Todesopfer und wenige Verletzte. Zu verdanken ist das einem ausgeklügelten Überwachungssystem für Naturkatastrophen, die mit Bewegungen von Bergen zusammenhängen wie Felsstürzen, damit einhergehenden Sturzfluten und Instabilität infolge Auftauens des Bodens. An dem System arbeiten Schweizer Fachleute seit vielen Jahren. So konnten die Bewegung des Gletschers präzise vorhergesagt und die Menschen rechtzeitig evakuiert werden.

Hier arbeitet die Schweiz auch mit anderen Ländern zusammen, zum Beispiel Indien, Pakistan oder Haiti: Der Austausch von Fachwissen und Daten soll auch dort Naturkatastrophen in gefährdeten Regionen besser vorhersagbar machen, um Leben zu retten. 

Frühwarnung ist entscheidend

Das ist auch das Ziel des Sendai-Abkommens zur Verringerung des Katastrophenrisikos, das 2015 in Japan verabschiedet wurde. Bis 2030 sollen Katastrophenrisiken vermindert und die Widerstandsfähigkeit von Bevölkerungsgruppen und Institutionen gegenüber Katastrophen erhöht werden. Eine Konferenz  Anfang Juni in Genf hat sich unter anderem der Umsetzung dieses Abkommens gewidmet. In einem abschließenden Appell wurden Prioritäten zur Risikominderung formuliert – etwa, Frühwarnsysteme auszubauen und bessere Daten zur Gefahreneinschätzung zu erheben. 

Die Schweiz bringt aufgrund ihrer bergigen Topographie viel Expertise auf diesem Gebiet mit, von der auch andere Länder profitieren können. Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) unterstützt seit vielen Jahren Projekte zur Anpassung an den Klimawandel und zur Katastrophenvorsorge. 

Im  Himalaya wirkt sich der Klimawandel stark aus

Zum Beispiel im indischen Himalaya: Das höchste Gebirge der Welt gilt als eines der Gebiete, das am stärksten vom Klimawandel bedroht ist. Immer wieder kommt es dort zu Felsstürzen, Schlammlawinen oder Sturzfluten, die oft viele Todesopfer fordern. Ein Team des Schweizerischen Schnee- und Lawinenforschungsinstitut (SLF) in Davos arbeitet seit vier Jahren an einem Projekt, das Naturkatastrophen im Himalaya-Gebiet früher erkennen soll: Mittels Satelliten und Computersimulationen analysieren die Forscherinnen und Forscher Bewegungen von Fels, Schutt und Eis, um zu beobachten, wenn sich große Fels- oder Eismassen in Bewegung setzen und abzustürzen drohen. Ziel des Projekts ist unter anderem, Frühwarnsysteme zu entwickeln, das lokale Fachpersonal entsprechend zu schulen und die Gefahrenkarten in Indien zu verbessern. Die DEZA unterstützt das mit 230.000 Schweizer Franken und mit Personal in Indien. Anders als in der Schweiz fehlen dort vor allem Daten, sagt Yves Bühler vom SLF gegenüber dem Schweizer Radio und Fernsehen: „Man weiß dort oft viel weniger, wo die Gefahren lauern.“

Auch hier helfen die Erfahrungen aus der Heimat, konkret aus dem Bündner Brienz, das bereits einen Felssturz erlebt  hat. Das Plateau oberhalb des Dorfes rutscht immer mehr ab und sorgt für Felsabbrüche. Seit November ist das Bergdorf evakuiert. „In Brienz gibt es viele permanente Messungen und damit eine große Datenmenge. So können wir neue Satellitentechnologien direkt testen und ihre Grenzen ausloten“, sagte Bühler. Dies wiederum biete eine gute Grundlage für das Projekt im Himalaya-Gebiet.

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Die Schweiz unterstützt auch in anderen Ländern Projekte zur Verminderung von Katastrophenrisiken, darunter das nationale Programm zur Kartierung von Überschwemmungsrisiken in Jordanien oder ein Programm in den Berggebieten Zentralasiens, das Daten etwa zu Lufttemperatur, Niederschlägen und der Entwicklung des Permafrostbodens liefert. Der Großteil der Bevölkerung im zentralasiatischen Gebirge ist auf Wasser aus den Bergen angewiesen. Doch der Klimawandel bringt Gletscher und Schneereserven zum Schmelzen, was zu Wasserknappheit und Naturkatastrophen führt. Die Daten sollen es ermöglichen, die Überwachung und das Wasser- und Katastrophenmanagement entsprechend anzupassen. 

Das Projekt erzielt auch eine globale Wirkung, weil es dem Zwischenstaatlichen Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) wertvolle Daten liefert. Laut der WMO ist die Zahl der registrierten klimawandelbedingten Katastrophen in den vergangenen 50 Jahren um das Fünffache gestiegen. Frühwarnsysteme spielen bei der Rettung von Menschenleben eine Schlüsselrolle. Deshalb haben die Vereinten Nationen ein Projekt für ein weltweites Frühwarnsystem-Netzwerk gestartet. UN-Generalsekretär António Guterres hat dazu gesagt: „Extremwetterereignisse wird es geben, aber daraus müssen keine tödlichen Katastrophen werden.“ Der Gletscherabbruch im Schweizer Dorf Blatten hat das gezeigt. 

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