Ende Oktober hat der Schweizer Außenminister Ignazio Cassis die Schweizer Botschaft in Bagdad offiziell eingeweiht, nachdem sie bereits im Herbst vergangenen Jahres nach 33 Jahren wiedereröffnet worden war. Die Vertretung war 1991 wegen des Golfkriegs geschlossen worden und blieb aufgrund der instabilen Sicherheitslage mehr als drei Jahrzehnte zu. „Wieder eine Botschaft in Bagdad zu haben ist ein starkes Symbol für die Schweizer Unterstützung für den Irak“, sagte Cassis bei der Eröffnung.
Das Zweistromland kämpft noch immer mit Problemen: Die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch, Korruption weit verbreitet. 2019 führte dies zu Massenprotesten gegen die Regierung, die von Sicherheitskräften brutal niedergeschlagen wurden. Anderes hat sich grundlegend verbessert: So hat sich die Sicherheitslage nach dem Sieg über die Terrorgruppe Islamischer Staat stabilisiert.
Auch international hat das Land an Statur gewonnen. Der Irak habe sich als Vermittler etabliert, sagt Christian Wyler, der an der Universität Bern zu irakischer Politik promoviert hat. Zwischen 2020 und 2022 fanden direkte Verhandlungen zwischen Saudi-Arabien und Iran im Irak statt. Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil das Land lange stark vom Iran beeinflusst war und als Hinterhof Teherans galt. Die Botschaftseröffnung sei für den Irak als Zeichen für Stabilität wichtig, sagt Wyler. Man wolle zeigen, dass man ein Mitspieler auf der internationalen Bühne sei und kein gescheiterter Staat.
Die Schweiz setzt in der Zusammenarbeit mit dem Irak auf die Schwerpunkte Sicherheit, Wirtschaft und Migration. Wirtschaftlich sieht die Regierung offenbar viel Potenzial für Firmen, die im Irak investieren wollen: Die Initiative des Iraks zur Diversifizierung der Wirtschaft sei „eine ausgezeichnete Gelegenheit für Schweizer Unternehmen, die auf den Markt drängen wollen“, sagte der Botschafter in Bagdad Daniel Hunn gegenüber dem Westschweizer Fernsehen RTS.
Allerdings gilt der Irak noch immer als eins der korruptesten Länder der Welt. Laut Transparency International steht das Land an 140. Stelle von 180 untersuchten Ländern. In einem Land mit derart hohem Korruptionsrisiko müsse man sehr vorsichtig sein, sagt Andreas Missbach von Alliance Sud. Unternehmen müssten klären, mit wem sie zusammenarbeiten, und dürften nicht auf Mittelsmänner zurückgreifen, wenn man befürchten müsste, dass bei der Vergabe von Aufträgen Korruption im Spiel sein könnte.
Urs Thalmann von Transparency Schweiz weist darauf hin, dass die Schweiz die Bestechung von ausländischen Amtsträgern durch Schweizer Personen und Firmen gesetzlich unter Strafe stellt. Gleichzeitig muss jede staatliche Vertretung selbstverständlich die Ziele der Schweizer Gesetze verfolgen. Die Botschaft in Bagdad sollte daher Schweizer Firmen, die im Irak investieren wollten, über die Risiken aufklären. „Wenn sich die Botschaft für die Integrität des Markts einsetzt, kann sie eine positive Wirkung haben“, sagt Thalmann. Wenn es hingegen nur darum gehe, „möglichst viele Firmen in den Irak zu bringen, kann das aber auch zweifelhafte und gefährliche Anreize setzen.“
Die Botschaft selbst schreibt in einem Wirtschaftsbericht, dass mangelnde Rechtssicherheit und Korruption „die Geschäftstätigkeit erschweren“ – und empfiehlt Firmen, mit vertrauenswürdigen Partnern zu arbeiten, die gute Kontakte zu Entscheidungsträgern haben. Botschafter Daniel Hunn hat als Diplomat zwar jahrzehntelange Erfahrung, ist allerdings zum ersten Mal im Irak – und muss sich sein eigenes Netzwerk zu lokalen Partnern und Regierungsvertretern erst aufbauen.
Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schreibt auf Anfrage, es erwarte zusammen mit dem Bundesrat von Schweizer Unternehmen, dass sie „umfassende und sorgfältige Kontrollen durchführen und sicherstellen, dass ihre Aktivitäten keine negativen Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung haben.“ Das SECO stelle den Unternehmen Informationen zum Thema Korruption zur Verfügung, und schule Diplomaten, damit diese den Firmen helfen könnten, die mit Korruption konfrontiert seien. Länderspezifische Maßnahmen gibt es indes keine.
Zum Schwerpunkt Migration hat die Schweiz mit dem Irak 2024 eine Vereinbarung getroffen, unter anderem mit dem Ziel, abgewiesene Asylbewerber abschieben zu können. Die Schweizer Flüchtlingshilfe kritisiert das: „Die Menschenrechtslage im Irak bleibt prekär, auch im Norden des Landes.“ Es gebe weiterhin Fälle von Verschwindenlassen, Gewalt gegen Zivilpersonen bleibe zuweilen straflos, die Pressefreiheit sei eingeschränkt und immer würden Journalistinnen und Journalisten verhaftet, schreibt die Organisation auf Anfrage. 2024 haben rund 560 Personen aus dem Irak in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt. Zur Menschenrechtslage im Irak teilt das EDA auf Anfrage mit, es gebe „Verbesserungspotential.“ Man würde das Thema regelmäßig mit den irakischen Behörden ansprechen.

Neuen Kommentar hinzufügen