"Viele Biobetriebe können sich die Zertifizierung nicht mehr leisten"

Fairer Handel
Die Neuregelungen der EU-Bioverordnung schaden Kleinbauern im globalen Süden, meint Claudia Brück, Fairtrade Vorständin für Kommunikation und Politik.

Im Oktober sind die Neuerungen der EU-Bioverordnung in Kraft getreten. Wie beeinflussen sie den fairen Handel?
Die Verordnung legt einheitliche Standards für den weltweiten Handel mit Bioprodukten der Landwirtschaft fest. Das ist im Prinzip gut, denn es schafft mehr Glaubwürdigkeit und Transparenz. Praktisch tun sich aber vor allem Kleinbauern aus dem globalen Süden schwer mit den Regelungen, die das europäische System auf die ganze Welt übertragen.

Claudia Brück ist Fairtrade Vorständin für Kommunikation und Politik.

Inwiefern?
Die Verordnung schreibt unter anderem vor, dass Bioprodukte wie Kaffee, Tee, Kakao oder Bananen vor Ort auf mögliche Rückstände – beispielsweise von Pestiziden – kontrolliert werden. Die Labore, die man dazu braucht, sind aber längst nicht überall vorhanden und es ist teuer, sie einzurichten. Bislang wurden die Kontrollen deshalb meist erst in Europa durchgeführt. Ein anderes Beispiel: Die Verordnung verbietet, dass ein Kleinbetrieb gleichzeitig sowohl Bio- als auch konventionellen Anbau betreibt. Bisher war das erlaubt, wenn beim Anbau ein Mindestabstand gewahrt und die Produkte getrennt verarbeitet wurden. Jetzt müssen sich solche Mischbetriebe in kleinere Einheiten aufspalten, jeweils für Bio und konventionell. Das verursacht bürokratischen Aufwand und Kosten, etwa für die neue Registrierung. 

Die EU-Verordnung, die die jetzigen Neuerungen vorschreibt, wurde 2022 verabschiedet. Wurden diese Punkte damals nicht diskutiert?
Sie wurden natürlich damals schon diskutiert, und der ursprüngliche Entwurf der Verordnung war für Kleinbetriebe aus dem globalen Süden noch ungünstiger. Durch unsere Kritik haben wir es beispielsweise geschafft, die Obergrenzen für die Mitglieder, die eine Kooperative haben darf, von 500 auf 2000 zu erhöhen – das ist wichtig, da sich in einigen Regionen sehr viele Kleinbauern zusammentun, um sich Maschinen oder Expertise zu teilen. So lassen sich Kosten und Ressourcen sparen. Aber das Wissen, dass es weitere drei Jahre dauern würde, bis alle Regelungen in Kraft treten, hat der Situation damals etwas an Dringlichkeit genommen. Jetzt gelten die Regelungen und kein Mensch hat sich Gedanken gemacht, wie all diese Vorgaben und Informationen überhaupt an die Produzenten kommen.

Ließe sich denn jetzt überhaupt noch etwas ändern?
Eine Möglichkeit bietet die routinemäßige Überprüfung von EU-Verordnungen durch Rat, Kommission und Parlament. Das passiert meist zwei, drei Jahre nach Inkrafttreten, so können Änderungen auch später noch erfolgen. Darüber hinaus könnte die Europäische Kommission schon jetzt einen Vorschlag zur Überarbeitung machen. Einiges spricht dafür, dass sie die Dringlichkeit dafür erkennt. Denn viele kleine Biobetriebe aus Asien, Afrika oder Südamerika signalisieren, dass sie aus dem Bioanbau aussteigen wollen, weil sie sich die steigenden Zertifizierungskosten nicht leisten können. Die Folge wären Lieferengpässe.

Auch in Deutschland protestieren kleine und mittlere Unternehmen mit dem Argument der Praxisferne und des übermäßigen Aufwands gegen Bestimmungen des Lieferkettengesetzes. Sehen Sie da Gemeinsamkeiten?
Wir möchten nicht in dasselbe Horn stoßen, zumal für den Nachhaltigkeitssektor soziale und ökologische Standards sehr wichtig sind. Zum Wohl von Mensch und Natur braucht es diese Standards, und da sie in der Marktwirtschaft nicht vorkommen, muss es dafür Gesetze geben. Wichtig ist aber, dass diese gut umgesetzt werden – dafür setzen wir uns ein. 

Das Gespräch führte Barbara Erbe.

 

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