Trübe Perspektiven für Diamantenarbeiter

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Fabrikarbeiter in Surat, Gujarat, schleifen Diamanten.
Shoaib Mir
Fabrikarbeiter in Surat, Gujarat, schleifen Diamanten. Seit dem Einfuhrverbot russischer Diamanten in die Europäische Union und in die G7-Staaten sind es deutlich weniger geworden.
Was tut sich in ... Indien?
Surat im indischen Bundesstaat Gujarat gilt als Diamantenstadt, weil dort der größte Teil der weltweit verarbeiteten Rohdiamanten geschliffen und poliert wird. Nun schrumpft die Industrie beträchtlich; etliche Diamantenarbeiter nehmen sich aus Verzweiflung das Leben.

Die 55-jährige Mukhta spricht nicht viel und bleibt meist zu Hause, seit ihr einziges Kind sich im August letzten Jahres mit 28 Jahren das Leben genommen hat. Ihr Sohn Nikunj Tank war der Haupternährer der Familie; in einer Fabrik in der westindischen Stadt Surat polierte und schnitt er Diamanten. Während sie das letzte Foto von ihm betrachtet, rollen Tränen über ihr Gesicht, und sie sagt: „Mein Sohn war sehr verantwortungsbewusst und sensibel. Als er seinen Job verlor, konnte er den Verlust nicht ertragen und beendete sein Leben. Nicht nur unsere Familie, auch Hunderte andere haben als Folge der schlechten Situation in der Diamantenindustrie so ihre Kinder verloren.“

Nach Informationen der Gewerkschaft der Diamantenarbeiter in Gujarat haben sich in den letzten drei Jahren mehr als 100 Arbeiter Suizid begangen, davon 55 im Jahr 2024. Rund 90 Prozent der Rohdiamanten weltweit werden in Surat, auch bekannt als Diamantstadt, geschliffen und von dort exportiert. Rund 5000 Diamantenschleif- und -polierbetriebe in der ganzen Stadt beschäftigen um die 800.000 Arbeiter.

Schuld ist vor allem Russlands Krieg

Vor allem der Krieg zwischen Russland und der Ukraine hat die Diamantenindustrie dort hart getroffen. Russland ist der weltweit größte Lieferant von Rohdiamanten, und der russische Großangriff 2022 führte zu einem Einfuhrverbot russischer Diamanten in die Europäische Union und in die G7-Staaten. So konnte Indien die geschliffenen Diamanten nicht mehr dorthin verkaufen, und Tausende von Arbeitern verloren in Surat ihren Arbeitsplatz. Nach Angaben der Diamond Workers Union in Gujarat hat die Schließung von Fabriken und Werkstätten in den letzten Monaten dazu geführt, dass über 50.000 Diamantenarbeiter entlassen wurden. 

Dr. Durairaj Kumarasamy, Leiter der Abteilung für Wirtschaftswissenschaften am Manav Rachna International Institute of Research and Studies in Indien, erklärt: „Vor allem kleinere und mittlere Unternehmen in Surat werden von diesem Anstieg der Arbeitslosigkeit schwer getroffen.“ 

Angesichts der steigenden Zahl von Diamantenarbeitern, die sich das Leben nehmen, hat die örtliche Diamantenarbeitergewerkschaft vor einigen Monaten eine rund um die Uhr erreichbare SOS-Hotline eingerichtet, um von Entlassung Betroffenen emotionale und finanzielle Hilfe zu leisten. Seitdem hat die Hotline Tausende von Notrufen erhalten, berichtet der Präsident der Diamantenarbeitergewerkschaft Bhavesh Tank. „Wir brauchen eine dauerhafte Lösung, anders können wir die Arbeiter nicht davon abhalten, extreme Schritte zu unternehmen.“ Es liege in der Verantwortung der Regierung, die Situation zu verbessern, sonst verliere man weiterhin Leben. „Die Importzölle von 50 Prozent, die US-Präsident Donald Trump inzwischen auf indische Einfuhren verhängt hat, haben die Krise weiter befeuert, denn die USA zählen zu den führenden Abnehmern von Diamanten aus Indien.“ Wenn die Regierung keine Senkung der US-Importzölle für Indien bewirken könne, so Bhavesh Tank, könne das das Ende der Diamantenindustrie in Indien einleiten. 

Aus dem Englischen von Barbara Erbe.

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