Einladung zum Missbrauch

Das internationale „Netzwerk Steuergerechtigkeit“ hat ein Ranking der schädlichsten Schattenfinanzzentren der Welt erstellt. Deutschland kommt dabei nicht gut weg.

Steueroasen, das sind die Bahamas, Jersey, die Marshall-Inseln. Weit weg von Deutschland – weit gefehlt! Beim Ranking des „Netzwerk Steuergerechtigkeit“, dem sogenannten Schattenfinanzindex 2013, zählt Deutschland zu den zehn wichtigsten Steueroasen der Welt. In ihrem Bericht schreiben das Netzwerk sowie die Organisationen Global Policy Forum, Misereor Tax Justice Network und WEED, nicht nur die Mafia und korrupte Despoten fänden in Deutschland eine Heimat für illegal angehäufte Vermögen. Auch die Politik schade mit einer aggressiven Doppelbesteuerungspolitik den Interessen von Ländern des globalen Südens.

Auf der schwarzen Liste liegt Deutschland auf Rang acht und lässt damit klassische Steuerparadiese wie ehemalige britische Überseegebiete weit hinter sich. An der Spitze steht die Schweiz, gefolgt von Luxemburg, Hongkong und den Kaimaninseln. Auch die USA (6) und Japan (10) belegen vordere Plätze. Am schnellsten wachsen die Schattenfinanzzentren Singapur (5) und der Libanon (7). Diese Länder sind aufgrund ihrer Gesetzeslage – etwa den Geheimhaltungsregeln –  besonders freundlich gegenüber Steuerhinterziehern und Steuerflüchtlingen. Miteinbezogen in die Beurteilung wird auch die jeweilige Größe des Finanzplatzes.

Die deutsche „Verdunkelungsoase“, so der Bericht, berge zu viele Schlupflöcher, die es steuerpflichtigen Unternehmen oder vermögenden Privatpersonen ermöglichten, sich den Regeln zu entziehen. So werde ein Umfeld geschaffen, das zum Missbrauch einlade. In Deutschland seien Milliarden aus dem nicht-europäischen Ausland deponiert – mit teils fragwürdigen Motiven, erklärte Markus Meinzer, Senior Analyst vom Tax Justice Network.  Auch die „Arabellion“ in Nordafrika habe gezeigt, wie beliebt Deutschland als sicherer Hafen für illegale Gelder war und ist – etwa für den ehemaligen libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi oder für Tunesiens Ex-Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali. Weitere Beispiele: Der kamerunische Präsident Paul Biya sowie staatliche iranische Unternehmen nutzten Scheinfirmen oder Immobilienbesitz in Deutschland zur Geldwäsche. Dies bedeute „eine Katastrophe“ für Länder des globalen Südens, „weil ihnen gewichtige Gelder entgehen durch illegitime Finanzströme“, sagte Wolfgang Obenland, Programmkoordinator des Global Policy Forum.

„Bundesregierung macht sich mitschuldig am Fortbestehen von Armut“

Vor allem gegenüber Entwicklungsländern sei die deutsche Gesetzgebung unfair. Ungerechte Doppelbesteuerungsabkommen erlaubten es international agierenden Konzernen, ihre Erträge oder Einnahmen aus Lizenzen, Dividenden und Zinsen unbesteuert aus Entwicklungsländern abzuziehen. Armen Ländern gingen damit Gelder verloren, während die Entwicklungspolitik sie dazu anhalte, ihre Steuerbasis zu verbreitern. „Indem die Bundesregierung dafür sorgt, dass die Einkommensbasis von Ländern des globalen Südens schrumpft, macht sie sich mitschuldig am Fortbestehen von Armut und Hunger“, sagte Klaus Schilder, Experte für Entwicklungsfinanzierung bei der Hilfsorganisation Misereor.

Ein Register, das die tatsächlichen Eigentümer von Briefkastenfirmen offenlegt, oder die Pflicht für alle Unternehmen, ihre Geschäftsabschlüsse und die Identität der gewinnberechtigten Besitzer zu veröffentlichen, könnten Ländern des Südens bei ihrer Jagd auf illegitime Gelder helfen. Auf diese Weise könnte zum Beispiel festgestellt werden, ob sich hinter einer deutschen Scheinfirma, die sich etwa im Kongo um eine Rohstofflizenz bewirbt, möglicherweise der Präsident des Landes verbirgt. 

Von der Bundesregierung fordern die Autoren dringende Verbesserungen – etwa bei der Ausstattung der Behörden zur Aufdeckung von Geldwäsche. Vorbildhaft sei zudem ein neues Schweizer Spezialgesetz, das die Konfiszierung und Rückführung veruntreuter Gelder erleichtere. Das sei in Deutschland nach wie vor sehr schwierig; Kontenregister etwa seien ausländischen Behörden nur bei Strafverfahren zugänglich. Auch Konzernen sollten Wege zur Steuervermeidung durch die Einführung länderbezogener Berichtspflichten endlich verbaut werden. 

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erschienen in Ausgabe 12 / 2013: Unser täglich Fleisch
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