Risiken und Nebenwirkungen

In den vergangenen 15 Jahren hat die Stiftung des Microsoft-Gründers Bill Gates und seiner Frau Melinda fast zwölf Milliarden US-Dollar Zuschüsse für Gesundheitsprojekte weltweit vergeben. Unter anderem hat sie vor neun Jahren die GAVI Alliance angeschoben, die sich um Impfstoffe für Entwicklungsländer bemüht und Impfkampagnen durchführt. Das Wirken der Gates-Stiftung und anderer privater Geber ruft sowohl Zustimmung als auch Kritik hervor.

PRO: Öffentliches Geld allein reicht nicht
Von Julian Lob-Levyt

Bevor die Global Alliance for Vaccines and Immunisation (die heutige GAVI Alliance) und ähnliche Bündnisse mit Unterstützung der Gates-Stiftung gegründet wurden, stagnierten die Impfraten in vielen Entwicklungsländern oder gingen sogar zurück. Partnerschaften wie GAVI haben dem Thema international wieder Schwung gegeben und für mehr Finanzmittel gesorgt.

Das Ziel von GAVI ist, in Entwicklungsländern die Impfraten zu erhöhen und die Gesundheitssysteme zu stärken. Seit ihrer Gründung vor neun Jahren hat die Allianz 2,8 Milliarden US-Dollar ausgegeben, 213 Millionen Kinder geimpft und so 3,4 Millionen Todesfälle verhindert. Finanziert haben das die Gates-Stiftung und 17 Regierungen, einschließlich der Europäischen Union.

Die GAVI Alliance erntete anfangs Stirnrunzeln, weil sie sich nur auf Impfung statt auf die Gesundheitsversorgung allgemein konzentrierte. Wir haben auf diese Kritik reagiert und unterstützen seit einiger Zeit auch Programme zur Stärkung von Gesundheitssystemen. Diese Bereitschaft, unsere Arbeit kritisch zu hinterfragen und wenn nötig zu ändern, ist eine unserer Stärken.

Die GAVI Alliance hält sich strikt an die Prinzipien der Paris-Erklärung für eine wirksame Entwicklungszusammenarbeit und arbeitet mit Partnern vor Ort, um die Schaffung von Parallelstrukturen zu vermeiden. Aber nicht nur das: GAVI überlässt die Federführung den Gesundheitsministerien in Entwicklungsländern und richtet seine Förderprogramme vollständig an den nationalen Gesundheitsplänen aus. Durch dieses einzigartige Modell werden bestehende Kapazitäten genutzt und gleichzeitig gestärkt.

Der Gates-Stiftung wird mitunter vorgeworfen, sie betreibe Entwicklungspolitik wie ein Geschäft. Was ist daran schlecht? Erfolgreiche Unternehmen versorgen Verbraucher entsprechend der Nachfrage mit Gütern und Dienstleistungen. Auf die Entwicklungszusammenarbeit angewendet heißt das: Ein Dienstleister wie die GAVI Alliance versorgt Länder mit den nachgefragten Impfstoffen, eingekauft in riesigen Mengen und zu günstigen Preisen. Der Profit drückt sich in geretteten Menschenleben aus.

Durch seine Macht als Großeinkäufer hat GAVI den Markt für Impfstoffe günstig beeinflusst. Die große Nachfrage aus Entwicklungsländern hat dafür gesorgt, dass neue Hersteller, insbesondere aus Schwellenländern, dazukommen und für mehr Wettbewerb sorgen. Dadurch fallen die Preise weiter, zum Beispiel für den Impfstoff gegen Hepatitis B.

Über die Strategie der Allianz und die Verwirklichung ihrer Aufgaben entscheidet ein Vorstand, in dem jedes Mitglied nur eine Stimme hat. Alle haben also den gleichen Einfluss. Unter dem Vorsitz der früheren irischen Präsidentin Mary Robinson umfasst dieser Vorstand Regierungen von Geber- und Entwicklungsländern, die Weltgesundheitsorganisation, UNICEF, die Weltbank, Impfstoffhersteller in Industrie- und Schwellenländern, Forschungsinstitute, Experten, nichtstaatliche Organisationen sowie die Gates-Stiftung und unabhängige Mitglieder.

Neu ist auch, dass GAVI sich auf den Kapitalmärkten zusätzliches Geld für Gesundheitsprogramme beschafft. Die International Finance Facility for Immunisation (IFFIm), eine britische Wohltätigkeitsorganisation, legt Anleihen auf, die durch Langzeitzusagen von Regierungen abgesichert sind. Dadurch kann GAVI schon heute lebensrettende Impfstoffe kaufen, während die Geber das Geld erst im Laufe der nächsten 20 Jahre zahlen müssen - gerade in Zeiten leerer Kassen ist das von Vorteil. Die IFFIm hat seit 2006 schon 1,6 Milliarden US-Dollar aufgebracht.

Es ist leicht, neue Modelle zu kritisieren, weil sie eingefahrene Wege verlassen. Aber GAVI kann sich rühmen, das Beste aus öffentlichem Sektor und Privatwirtschaft zusammenzubringen. Und wir haben unstrittige Erfolge vorzuweisen. Damit diese in der gegenwärtigen Krise nicht gefährdet werden, brauchen wir sogar mehr privates Geld - und Unternehmergeist.

Julian Lob-Levyt ist Geschäftsführer der Global Alliance for Vaccines and Immunisation (GAVI Alliance) in Genf.


KONTRA: Private Wohltätigkeit ist keine Lösung
Von Jörg Schaaber

Die Gates-Stiftung kann inzwischen mehr Geld in Projekte stecken als die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Dieses wohlmeinende Engagement hat allerdings Schattenseiten. Das zeigt beispielsweise die maßgeblich von der Gates-Stiftung geförderte GAVI Allianz. Sie finanziert Impfprogramme in armen Ländern und treibt die Einführung eines teuren Hepatitis-B-Impfstoffs voran. Fraglich ist, wie die Empfängerstaaten die Kosten der teuren Impfung aufbringen sollen, wenn die Förderung durch GAVI ausläuft. Außerdem wäre das Geld besser in flächendeckende Standardimpfungen angelegt.

Viele Projekte privater Stiftungen sind sicher nützlich. Aber es bleiben drängende Fragen: Wer trifft und wer kontrolliert die Entscheidungen? Nach welchen Kriterien suchen sie Projekte aus? Im GAVI-Aufsichtsgremium sitzen zwar auch Vertreter von UN-Organisationen und Regierungen, aber die Impfstoffindustrie entscheidet ebenso mit wie die Gates-Stiftung. Das ist so ähnlich wie wenn hierzulande die Entscheidungen über die Gesundheitsversorgung von der Bundesregierung, Bayer und der Bertelsmann-Stiftung gemeinsam getroffen würden.

Die Gates-Stiftung und andere private Geldgeber gehören internationalen Gremien an, die die Ausrichtung der globalen Gesundheitspolitik beeinflussen. Selbst die Vereinten Nationen hängen mittlerweile am Tropf von Gates. In Südostasien finanziert die Stiftung zum Beispiel ein WHO-Programm zur Eindämmung der Malaria-Resistenz.

„Public Private Partnership" heißt der neue Trend. Stiftungen, UN-Agenturen, Industrie und nichtstaatliche Organisationen sitzen an einem Tisch und machen internationale Gesundheitspolitik. Aber statt bestehende Gesundheitssysteme zu stärken, bauen sie dabei Parallelstrukturen auf. Demokratische Legitimation und Kontrolle geraten ins Abseits. Zu Recht hat das Exekutivdirektorium der Weltgesundheitsorganisation kürzlich angemahnt, Programme zur Bekämpfung bestimmter Krankheiten müssten unbedingt in die allgemeine Gesundheitsversorgung integriert werden.

Stiftungen fördern die Forschung zu vernachlässigten Krankheiten. Das ist an sich eine gute Sache, ändert aber nichts an den fragwürdigen Strukturen der Arzneimittelforschung. Der Patentschutz als Bedingung für weltweite Forschung und Entwicklung wird nicht in Frage gestellt. Folglich wird die Pharmaindustrie auch künftig vor allem für die angeblichen oder tatsächlichen Bedürfnisse der Reichen forschen, vom Potenzmittel bis zum sündhaft teuren Krebsmedikament.

Eine Frage, die kaum gestellt wird: Woher kommt das Geld der Stiftungen überhaupt? Bill Gates ist mit Computer-Software reich geworden - auf Grundlage eines internationalen Patentsystems, das große Teile der Weltbevölkerung vom wissenschaftlichen Fortschritt ausschließt. Die Gates-Stiftung hat außerdem bedeutende Teile ihres Vermögens bei großen Pharmakonzernen angelegt. Und die Staaten verzichten zugunsten von Stiftungen auf Steuereinnahmen aus Firmengewinnen, die ihnen sonst für öffentliche Aufgaben zur Verfügung stünden. Die Bekämpfung der Armut ist ohne Begrenzung des Reichtums - also einer gerechteren Verteilung der gesellschaftlichen Ressourcen - nicht denkbar.

Doch Alternativen sind möglich. Nach einer breiten öffentlichen Konsultation hat die WHO im vergangenen Jahr ihren Bericht zu den sozialen Bedingungen für Gesundheit (Social Determinants of Health) vorgelegt. Er zeigt, in welche Richtung es gehen sollte. Alle Faktoren, die Gesundheit beeinflussen, müssen zugleich angegangen werden. Dazu gehören Armut und Bildung ebenso wie der Zugang zu Beschäftigung, Gesundheitsversorgung und Arzneimitteln.

Außerdem werden seit einiger Zeit Alternativen zur patentgesteuerten Entwicklung von Medikamenten intensiv diskutiert - und das nicht nur mit Blick auf arme Länder. Es kommt jetzt darauf an, solche Ansätze zu verwirklichen. Stiftungen können neue Ideen entwickeln und innovative Modelle fördern , vorübergehend auch Rettungsanker sein. Aber sie sollten niemals die öffentliche Verantwortung für die Gesundheit ersetzen.

Jörg Schaaber ist Sprecher der BUKO-Pharma-Kampagne in Bielefeld, die sich mit Fragen internationaler Gesundheitspolitik befasst.
 

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erschienen in Ausgabe 4 / 2009: Alte Menschen: Zu wenig geachtet

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