Indonesiens ungeliebte Provinzen

Im westlichen Teil von Neuguinea kämpfen die Papua seit Jahrzehnten um ihre Unabhängigkeit von Indonesien. Doch die Regierung in Jakarta will unter allen Umständen an dem Gebiet festhalten – wegen der Bodenschätze.

Sie wollten ihre Kultur feiern – und zu deren Erhalt aufrufen: Mehrere Hundert Studenten zogen im Februar singend und tanzend durch die Straßen von Jayapura, der Hauptstadt der indonesischen Provinz Papua. Nach zwei Stunden war die friedliche und bunte Demonstration zu Ende. Schwer bewaffnete Polizisten trieben die jungen Leute auseinander. Eine Kultur der Papua gebe es gar nicht in Indonesien, begründete der stellvertretende Polizeichef der Stadt, Kiki Kurnia, laut dem Onlineportal „westpapuamedia.info“ den Einsatz. Er untersagte den Studenten, ihre kulturellen Traditionen weiter zur Schau zu stellen.

Autorin

Gesine Kauffmann

ist Redakteurin bei "welt-sichten".

Zwar wurde in diesem Fall niemand verletzt oder festgenommen. Doch das Vorgehen der Polizei sagt einiges über das schwierige Verhältnis des Staates Indonesien zu den indigenen Einwohnern seiner beiden Provinzen Papua und West-Papua. Zusammen bilden sie den westlichen Teil der Insel Neuguinea; sie verfügen über einen autonomen Sonderstatus.

Der Konflikt reicht zurück bis in die 1950er Jahre. Die Niederlande als Kolonialmacht strebten damals an, West-Neuguinea bis 1970 in die Unabhängigkeit zu führen. Als Übergangsregierung wählten die Papua 1961 den Neuguinearat. Doch Indonesien, das bereits 1949 unabhängig geworden war, meldete Ansprüche auf die rohstoffreiche Region an und sicherte sich den Rückhalt der internationalen Gemeinschaft.

Schließlich wurde auf Drängen der USA im August 1962 das sogenannte New Yorker Abkommen geschlossen, mit dem West-Neuguinea unter indonesische Herrschaft gestellt wurde. Die Papua hatten keine Mitsprachemöglichkeiten. Sieben Jahre später sollten sie in einem in dem Abkommen festgelegten Referendum (Act of Free Choice) entscheiden dürfen, ob sie lieber in einem eigenen Staat leben wollten.

Schätzungen zufolge sind bis zu 100.000 indigene Papua getötet worden

Die indonesische Regierung hatte inzwischen erkannt, welche Schätze an Edelmetallen, Erdöl, Erdgas und Holz in der Region schlummerten, und ihre militärische Präsenz enorm verstärkt. Die Abstimmung wurde manipuliert: Handverlesene und bestochene Wahlmänner votierten für den Verbleib bei Indonesien. Die Papua verlangen bis heute, dass dieses dunkle Kapitel ihrer Vergangenheit aufgearbeitet wird. Ihr Kampf um Unabhängigkeit dauert an – wobei der Widerstand gegen die indonesische Staatsmacht zersplittert ist.

Schätzungen zufolge sind in den vergangenen Jahrzehnten bis zu 100.000 indigene Papua von indonesischem Militär und Sicherheitskräften getötet worden. Im Zuge der sogenannten Transmigrasi-Politik, mit der die Regierung in Jakarta von 1969 bis Mitte 1998 Menschen von der dicht bevölkerten Hauptinsel Java auf weniger bevölkerte Inseln umsiedelte, kamen etwa 800.000 Indonesier nach Papua. Inzwischen stellen die indigenen Papua weniger als die Hälfte der dortigen Bevölkerung, die rund drei Millionen Einwohner zählt.###Seite2###

Amnesty International dokumentiert in seinem Menschenrechtsbericht 2013 zahlreiche Übergriffe von Polizei und Sicherheitskräften auf politische Aktivisten und Zivilisten. Mako Tabuni, der stellvertretende Vorsitzende der Unabhängigkeitsbewegung National Committee for West Papua, wurde im Juni 2012 von Polizisten getötet, angeblich, weil er sich der Festnahme widersetzte.

Laut Berichten von Augenzeugen war er mit Freunden unterwegs, als er ohne Vorwarnung niedergeschossen wurde. Der Vorfall wurde laut Amnesty nie unabhängig untersucht. In einem anderen Fall brannten Soldaten als Vergeltungsmaßnahme Teile eines Dorfes nieder – dessen Einwohner standen unter dem Verdacht, den Tod von zwei ihrer Mitstreiter verursacht zu haben.

Auch die „International Coalition for Papua“ und die Organisation „Franciscans International“ schildern Fälle von Folter, außergerichtlichen Tötungen, sexueller Gewalt und unbegründeten Verhaftungen. Sie prangern zudem Verstöße gegen die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte an: Land wird beschlagnahmt, Raubbau an der Natur betrieben ohne Rücksicht auf die Anwohner, denen zugleich eine eigene kulturelle Identität abgesprochen wird. Dutzende Unabhängigkeitsaktivisten sitzen laut Amnesty im Gefängnis, weil sie auf Kongressen oder Demonstrationen ihre politische Position vertreten hatten. Journalisten und Menschenrechtsanwälte würden ebenfalls bedroht und an ihrer Arbeit gehindert.

Medikamente in Papua sind teuer oder von schlechter Qualität

80 Prozent der Bevölkerung in Papua leben unterhalb der Armutsgrenze. Vertreter der katholischen Kirche in der Stadt Wamena äußerten sich Anfang des Jahres besorgt über steigende Lebenshaltungskosten. Auch die Gesundheitsversorgung sei sehr schlecht, sagte ein Priester laut dem Onlineportal „westpapuamedia.info“ bei einer Pressekonferenz. Medikamente seien teuer oder von schlechter Qualität. Viele Gesundheitsposten seien nicht besetzt.

Die indonesische Regierung hat im Januar 2012 für drei Jahre eine „Sonderabteilung zur Beschleunigung der Entwicklung“ in Papua eingesetzt, die unter anderem den Straßenbau in den bergigen Regionen und den Bau eines Containerhafens in der Stadt Agats im Süden der Provinz Papua voranbringen soll. Wie deren Leiter Bambang Darmono der „Jakarta Post“ sagte, solle dies im Einklang mit den Wünschen der lokalen Gemeinschaften und dem Ziel der sozialen Integration geschehen.

Vertreter einheimischer Organisationen zeigten sich im Dezember 2013 aber unzufrieden mit den bisherigen Fortschritten. Die beschleunigte wirtschaftliche Entwicklung gehe mit einer Ausbeutung der natürlichen Ressourcen einher und begünstige lediglich ausländische Investoren, die mit Holz, Bergbau und Palmöl Geschäfte machen.###Seite3###

Berichte über die Menschenrechtslage kommen unter schwierigen Bedingungen zustande, denn Papua wird von der indonesischen Regierung abgeschottet: Ausländische Journalisten, Vertreter von Menschenrechtsorganisationen und Berichterstatter der Vereinten Nationen dürfen nicht einreisen. So spielen Kirchen und ihre Partnerschaften, darunter die Vereinte Evangelische Mission (VEM), sowie kirchliche Organisationen eine wichtige Rolle: Sie prangern Verstöße gegen die Menschenrechte an und bemühen sich zugleich darum, eine Lösung des Konfliktes voranzubringen – etwa mit der Kampagne „Papua, Land des Friedens“, die von Christen, Muslimen, Hindus und Buddhisten gemeinsam getragen wird.

Das „Papua Peace Network“ unter Führung des katholischen Priesters Neles Tebay versucht außerdem, Vertreter der indonesischen Regierung und der Papua für einen nationalen Dialog an einen Tisch zu bringen – bislang mit großen Vorbehalten auf beiden Seiten, wie der Papua-Experte Budi Hermawan berichtet. Der Weg zum Frieden für die Papua sei lang und kompliziert, sagt er: „Wir brauchen die tatkräftige Unterstützung der internationalen Gemeinschaft."

Die forderten Ende Januar auch Aktivisten vor dem Menschenrechtskomitee der Europäischen Union (EU) in Brüssel. Sie riefen die EU dazu auf, den Druck auf die indonesische Regierung zu verstärken, damit sie an ihrer Zusage für einen Dialog festhalte und konkrete Schritte für eine friedliche Lösung unternehme.

Seine Bereitschaft dazu hatte Indonesiens Präsident Susilo Bambang Yudhoyono bereits 2012 im Gespräch mit Kirchenvertretern signalisiert – doch geschehen ist seitdem nach Beobachtung von Menschenrechtsexperten nichts, was die Lage der Papua verbessert hätte.

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erschienen in Ausgabe 4 / 2014: Indonesien: Von Islam und Demokratie
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