Berufliche Bildung: Lieber Friseur als Bandenmitglied

(28.10.2014) Die wirtschaftsnahe Stiftung Swisscontact fördert seit mehr als 50 Jahren die Berufsbildung in Entwicklungsländern. Fachleute sind sich einig: Das funktioniert nur, wenn vorher die Nachfrage geprüft wird.

Für Sybille Suter von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) ist klar: Berufliche Bildung kann zur Armutsreduktion beitragen, wenn stimmige Ziele formuliert werden und die Projekte nicht mit zu vielen Erwartungen befrachtet werden. Wichtig sei, Kompetenzen an lokale Partner zu delegieren – zum Beispiel an Branchenverbände, wie sie etwa in Burkina Faso aufgebaut werden. Auf der Swisscontact-Jahrestagung Anfang Oktober in Zürich wies Suter darauf hin, dass die Berufsbildung in Entwicklungsländern sehr unterschiedliche Zielgruppen erreichen müsse: neben den klassischen Schulabgängern sind dies oft Schulabbrecher, Flüchtlinge oder Arbeitslose.

Ulrich Stucki, Direktor Nord- und Westafrika von Swisscontact, unterscheidet denn auch zwischen Berufsbildung und Arbeitsmarktintegration. Bei letzterer gehe es darum, Menschen kurzfristig in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Berufsbildung hingegen habe längerfristige Ziele und solle nicht zuletzt das lokale Unternehmertum fördern. Dazu brauche es „kleine Schritte und einen langen Atem“, betonte Stucki in Zürich.

Aus Sicht von Swisscontact soll der Staat sich darauf beschränken, die Rahmenbedingungen für Initiativen des Privatsektors zu schaffen und Ausbildungsgänge zu zertifizieren. Zudem könnten Projekte zur Berufsbildung nur dann erfolgreich sein, wenn eine entsprechende Nachfrage bestehe.

Nicht zu stark an den Ärmsten ausrichten

Der Swisscontact-Experte zeigte sich überzeugt, dass auch in Ländern mit schwieriger Ausgangslage etwas erreicht werden kann. Dank gut funktionierenden traditionellen Gesellschaften herrsche zum Beispiel in Mali trotz Krieg eine gewisse Stabilität. Das Handwerk in den Städten sei ein idealer Ansatzpunkt für Berufsbildungsprojekte. In Mali und Benin konnten so Berufsbildungssysteme aufgebaut werden, die gut funktionieren. Sie haben aber noch keine Breitenwirkung erzielt.

Wie die Deza warnt auch Ulrich Stucki vor überladenen Projekten, die in kurzer Zeit zu viele Probleme lösen und zu viele Leute erreichen sollen. Eine Gefahr sieht Stucki zudem in der Tendenz, Berufsbildungsprojekte zu stark auf die Ärmsten der Armen auszurichten. Dies sei nicht nur mit hohen Ausbildungskosten verbunden, sondern schade auch der Reputation der Projekte im betreffenden Land, weil dann die Berufsbildung für die Mittelschicht weniger attraktiv sei.

Sybille Suter von der Deza betonte indes, es sei „nicht unsere Aufgabe, den Mittelstand zu fördern“. Für die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit habe die Armutsbekämpfung Vorrang. Berufsbildung könne auch schlicht bedeuten, den Leuten überhaupt Wahlmöglichkeiten zu geben. In Honduras etwa biete die Deza mit einem niederschwelligen Berufsbildungsangebot – etwa einer Friseurlehre – jungen Männern eine Alternative zur Banden-Karriere. Im Land mit der weltweit höchsten Mordrate ist dies nicht zuletzt eine soziale Form der Gewaltbekämpfung.

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erschienen in Ausgabe 11 / 2014: Der Glaube und das Geld
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