„Einheimische Helfer waren anfangs außen vor“

Carlos Padolina leistet gemeindebasierte Katas­trophenhilfe und -vorsorge auf den Philippinen. Dafür möchte er von internationalen Hilfsorganisationen mehr Respekt.

Wie helfen Sie im Falle einer großen Katastrophe wie nach dem Taifun Haiyan 2013?

Wenn ein großer Taifun aufzieht, warnen wir unsere Partner im Land vor; wir haben Katastrophenschutz-Komitees in Gebieten, in denen wir schon geholfen haben. Hat der Taifun ein Gebiet getroffen, dann arbeiten sie mit, den Hilfsbedarf abzuschätzen: Sie gehen in Dörfer und Stadtteile, erheben Daten und senden sie an unsere Zentrale. Auf dieser Basis bitten wir um Unterstützung von außen, planen Hilfe und kaufen die nötigen Hilfsgüter.

In den Philippinen leisten viele nichtstaatliche Organisationen (NGOs) nach großen Katastrophen Hilfe, oder?

Ja. CDRC ist ein Pionier in von Gemeinden angeführter Katastrophenhilfe. Aber auch viele andere NGOs, Kirchen, Unternehmen,  engagierte Bürger und die Regierung leisten Nothilfe. Koordiniert wird das von der Regierung und von den Vereinten Nationen – wie im Fall von Haiyan.

Hat das funktioniert? Haben lokale Gruppen die Planung beeinflusst?

Philippinische NGOs haben den Eindruck, dass sie in den ersten Tagen und Monaten außen vor geblieben sind. Die UN-Organisationen und internationalen NGOs haben sie zwar zu ihren Koordinationstreffen eingeladen, aber viele erfuhren das nicht oder verstanden nicht, wie die Abstimmung funktionieren sollte. Außerdem hatten nur UN-Organisationen und internationale NGOs anfangs die Zeit und die Mittel, an solchen Treffen teilzunehmen. Nationale und lokale NGOs litten selbst unter den Folgen des Taifuns. Sie stimmten sich außerdem bereits mit den Behörden ab; diese Mechanismen kannten sie. Nun gab es zusätzlich Koordinationsforen mit UN-Organisationen und internationalen NGOs. Das hat zu Verwirrung geführt.

Die UN und internationale NGOs haben an der Regierung vorbei gearbeitet?

Die Regierung hat nach Haiyan um internationale Hilfe gebeten, weil die Schäden so enorm waren. Deshalb kamen die UN und internationale Hilfswerke ins Land. Für uns als nationale NGO schafft das auch Probleme. Wir mussten uns sowohl mit der Regierung abstimmen als auch mit internationalen Geldgebern, die das zur Bedingung für ihre Geldzusagen machen. Die Wege der Abstimmung sind nicht immer leicht zu durchschauen. Die UN haben die Hilfe nach verschiedenen Clustern organisiert wie Wohnen, Ernährung oder Gesundheit. Wie das funktioniert und wie man sich diesen Prozeduren anpasst, ist für lokale NGOs nicht leicht zu verstehen. Zusätzlich schämte sich nach Haiyan manche kleine NGO, weil sie nur in einzelnen Stadtteilen und Dörfern helfen konnte, während internationale Helfer ganze Provinzen bedienten. Die Folge war eine Art Minderwertigkeitskomplex. Der trug dazu bei, dass lokale NGOs mit sehr geringen Mitteln nicht an den Koordinierungstreffen teilnahmen. Viele einheimische NGOs sind abhängig von der Finanzhilfe internationaler NGOs. Beide Seiten verstehen sich als Partner. Aber nach Haiyan haben manche internationale NGOs selbst Hilfsdienste geleistet, statt die Mittel dafür ihren lokalen Partnern zu geben.

Wie kann man dafür sorgen, dass die mehr Einfluss auf die Steuerung großer Hilfsaktionen bekommen?

Die philippinischen NGOs haben nach Haiyan gefordert, dass lokale Gruppen als Partner beteiligt werden und in allen Koordinierungsforen sitzen. Und die Koordinationsforen im Land sollten respektiert werden. Auf den Philippinen gibt es einen Nationalen Rat zu Koordination bei Katastrophen, über den sich die Behörden und die einheimischen NGOs gegenseitig unterstützen. Internationale NGOs und UN-Organisationen sollten sich da integrieren, nicht parallele Foren schaffen. Stattdessen wollen internationale NGOs sofort Hilfe anbieten, wo vielleicht schon die Regierung welche leistet. Manche Menschen haben nach Haiyan zweimal in einer Woche Hilfe von verschiedenen Seiten bekommen. Erst nach einem Jahr, als die Hilfe in Wiederaufbau übergegangen war, wurde anerkannt, wie wichtig die Regierungsstellen für die Koordination sind. Das sollte eigentlich von Anfang an der Fall sein, auch in der Phase der unmittelbaren Nothilfe.

Das Gespräch führte Bernd Ludermann.

 

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erschienen in Ausgabe 3 / 2015: Nothilfe: Aus Trümmern Neues schaffen
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