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Calvince Okello schickt kenianischen Bauern per SMS praktischen Rat aufs Handy. Der junge Unternehmer bringt neues Wissen über Anbautechniken und Absatzmärkte in entlegene Gegenden – und vertraut darauf, dass sie sich dort weiterverbreiten.

Vier Fünftel der Kenianer verdienen ihren Lebensunterhalt mit der Landwirtschaft, die meisten von ihnen sind Kleinbauern. Oft sind sie arm und erzielen auf ihren Feldern nur geringe Erträge. Einer der Gründe: Sie wissen zu wenig über die geeigneten Anbaumethoden. Zwar haben Agrarforscher viel Zeit, Geld und Mühe investiert und ein breites landwirtschaftliches Wissen zusammengetragen. Doch das erreicht die Bauern in abgelegenen Regionen nicht. Hier setzt Calvince Okello mit seiner Firma M-Shamba an. Über eine interaktive Plattform bietet er Bauern eine Palette von Informationen an, wie sie mehr ernten und ihren Betrieb besser führen können.

„Wir wollen, dass ineffiziente Anbautechniken bald der Vergangenheit angehören“, sagt der Agraringenieur, der in der südwestlichen Region Nyanza aufgewachsen ist. Den Anstoß zu  seiner Geschäftsidee lieferte ihm seine Großmutter. Sie baute Kaffee, Mais, Bohnen, Bananen und Süßkartoffeln an. Obwohl Pflanzenzüchter ständig neue und bessere Sorten entwickelten, behielt sie stets einen Teil ihrer Ernte als Saatgut für die nächste Saison zurück. „Jedes Jahr ging der Ertrag zurück, weil die Qualität des Saatguts gering war“, sagt Okello.

M-Shamba will nun dafür sorgen, dass andere Bauern mehr und besser produzieren. Die Plattform führt sie durch den gesamten Anbauzyklus und berät sie von der Aussaat bis zur Nachernte. Sie packt die nötigen Informationen in Kurzmeldungen zwischen 160 und 480 Zeichen, die dann an die Bauern gesendet werden. Dabei arbeitet M-Shamba unter anderem mit der Jomo-Kenyatta-Universität für Landwirtschaft und Technologie sowie dem staatlichen kenianischen Forschungsinstitut für Landwirtschaft und Tierhaltung zusammen.

Zugleich ersetzt M-Shamba mit seinem Service zumindest teilweise die landwirtschaftlichen Berater der Regierung. Deren Zahl ist aufgrund von Einsparungen in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen: Sowohl der Staat als auch die internationalen Entwicklungshilfe-Geber finanzieren inzwischen lieber andere Initiativen wie kostenlosen Dünger oder geben das Geld für Bildung und Infrastruktur aus. „Kürzlich riefen Bauern aus der Gegend um Nyando an“, erzählt Okello. „Sie wollten Sorghum anbauen, um daraus Bier zu machen. Aber sie wussten  nicht, wie. Wir lieferten ihnen die nötigen Informationen, und so kamen sie alleine zurecht.“ Dennoch habe M-Shamba auch eine Datenbank von Beratern aufgebaut und könne den Kontakt herstellen, wenn ein Bauer eine persönliche Begleitung wünscht.

An regionale Bedingungen angepasster Service

M-Shamba verfolgt zwei Geschäftsmodelle. Zum einen können Bauern den Service für umgerechnet fünf US-Dollar im Jahr direkt abonnieren. Sie bekommen Tipps und Informationen  über Anbautechniken, Absatzmärkte, Transportmöglichkeiten und die Verfügbarkeit von Pestiziden und können selbst Fragen einschicken. Zum anderen erteilt M-Shamba für eine jährliche Gebühr von 450 US-Dollar an Bauernorganisationen eine Lizenz für seine Technologie. Die registrieren ihre Mitglieder mit Namen, Alter, Größe und Lage der Felder, Wetterbedingungen und Anbaupflanzen. Die Organisationen stellen die Informationen zusammen, die Kurznachrichten werden automatisch während der gesamten Saison verbreitet. „Nach einem kompletten Anbauzyklus kann die Organisation Muster und Trends auswerten und mögliche Verbesserungen für die nächste Saison planen. Das hilft ihnen, den Service für die Bauern auszubauen“, sagt Okello. Lizenznehmer erhalten eine Schulung für den gesamten Prozess, von der Registrierung ihrer Mitglieder bis zur automatischen Versendung von Nachrichten.

M-Shamba startete seinen Service zunächst über eine App, wechselte dann aber zu Kurznachrichten, weil die meisten Bauern noch herkömmliche Mobiltelefone besitzen und noch keine internetfähigen Smartphones. Obwohl immer mehr Bauern Zugang zum Internet haben und sich auch dort informieren können, sei die Nachfrage nach Diensten wie dem von M-Shamba hoch, meint Okello. „Wenn man online nach ,Maisanbau‘ sucht, werden tausende Seiten angezeigt. Da ist es schwer, die passende Information zu finden. Unser Service ist auf die individuellen Bedürfnisse der Bauern zugeschnitten. Jemand, der in Westkenia Mais anbaut, hat es zum Beispiel mit anderen Niederschlägen und Temperaturen zu tun als ein Maisbauer an der Küste.“ 

Auch Support für ökologischen Anbau

Okello ist auf Erfolgskurs. Seine Firma beschäftigt vier Mitarbeiter und rekrutiert darüber hinaus nach Bedarf Technik- und Marketingexperten. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen 40.000 US-Dollar eingenommen, für dieses Jahr strebt Okello 100.000 US-Dollar an. Rund 15.000 Bauern in ganz Kenia nutzen den Beratungsservice, der sich vor allem auf den Anbau von Reis konzentriert. Aus strategischen Gründen, wie Okello sagt. „Die Konsumgewohnheiten ändern sich“, erklärt er. „Mais ist zwar immer noch das Grundnahrungsmittel der Kenianer, aber vor allem in den Städten wird immer mehr Reis gegessen. Außerdem sind viele Bauern am Anbau von Mais gescheitert und bereit, andere Nahrungspflanzen auszuprobieren.“

M-shamba unterstützt in  Mweya, einer Reisanbauregion in Zentralkenia, mehr als 4000 Bauern bei einer ökologischen Anbaumethode, die in Madagaskar entwickelt wurde und unter dem Begriff „System of Rice Intensification“ (SRI) bekannt ist. „Wir helfen den Bauern dabei, das Wasser auf den Feldern zu kontrollieren und zu entscheiden, wann der Zeitpunkt für die Ernte gekommen ist“, erzählt Okello. Und verweist auf deren Erfindungsreichtum im Umgang mit Widrigkeiten. Wenn der Reis fast reif ist, wird er häufig von Vögeln gefressen. „Manche Farmer beschäftigen extra Leute, um die Vögel zu verscheuchen. Bauern am Nyando-Fluss versuchen nachts mit Blitzlichtern, die Nilpferde abzuwehren.“ Solche Bauern, meint Okello, seien offen für neue Ideen, die ihnen helfen, Geld zu sparen und bessere Produkte herzustellen.

Autorin

Dinfin Mulupi

ist freie Journalistin in Nairobi.
Seine Firma ist nicht die einzige in Kenia, die Bauern mit Hilfe von moderner Kommunikationstechnologie unterstützen will – eine ganze Reihe von Apps wurde bereits entwickelt. „Viele dieser Anwendungen funktionieren jedoch nur in Nairobi“, kritisiert Okello. „Die meisten Bauern kennen oder nutzen sie nicht. Sie zu verbreiten, ist eine große Aufgabe.“ Zudem seien viele Dienste weit entfernt von der Lebenswirklichkeit der Bauern. „Wenn man ihnen helfen will, muss man sich Zeit nehmen und mit ihnen sprechen.“

Angesichts von Millionen Kleinbauern in Kenia mag die Reichweite von M-Shamba gering erscheinen. Aber Okello ist überzeugt, dass sein Unternehmen noch eine weitaus höhere Wirkung entfaltet.  „Wir ermutigen Bauern, voneinander zu lernen“, sagt er. „Sie vertrauen einander. Wenn sie sehen, dass die Pflanzen des Nachbarn gedeihen, zeigt das, dass er etwas richtig macht.“ Der Nachteil: Wenn ein Bauer eine falsche Information hat, verbreitet  sie sich im ganzen Dorf. Deshalb, so Okello, müsse man die Farmer mit den richtigen Kenntnissen versorgen, die sie dann mit anderen teilen könnten. „Der beste Berater kommt nicht von der Regierung – es ist der Bauer selbst.“

Aus dem Englischen von Gesine Kauffmann.

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erschienen in Ausgabe 12 / 2015: Agrarindustrie: Vitamine aus der Tüte
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