Keiner ruft nach Obergrenzen

Bürgermeister in der Flüchtlingskrise
In Wien kamen Ende Januar Bürgermeister von Kommunen aus zehn Ländern in Europa und Nahost zusammen. Sie wollen sich in der Flüchtlingskrise besser vernetzen.

Andreas Babler, der Bürgermeister von Traiskirchen bei Wien, wo das größte Erstaufnahmelager steht, und der Künstler André Heller hatten die Konferenz organisiert. „Wir werden Zeugen und Mitwirkende einer machtvollen Polarität zwischen zynischer Grausamkeit und tatkräftiger Herzensbildung, zwischen Hass und unermüdlicher Hilfsbereitschaft zehntausender Mitglieder der Zivilgesellschaft“, sagte Heller zu Beginn. In allen Etagen der unterschiedlichen Lager herrschten Überforderung und erschreckende Wissensdefizite. Dem sollte die Konferenz entgegentreten.

Gemessen an der Einwohnerzahl muss niemand mehr Schutzsuchende aufnehmen als Spyros Galinos, der Bürgermeister von Mitilini auf der griechischen Insel Lesbos. Er beklagt sich nicht über Überforderung, appelliert aber an die eigene Regierung und die der europäischen Partner: „Wir wollen ordentliche Bedingungen für die Flüchtlinge schaffen.“ Jürgen Dupper, Bürgermeister von Passau, lebt lieber in einem Land, „in das Menschen in Millionen strömen, als in einem, aus dem Menschen zu Millionen herausströmen“. Seine bayerische Grenzstadt, die nur 50.000 Einwohner zählt, musste im vergangenen halben Jahr 30.000 Menschen vorübergehend unterbringen. Zwar müsse viel investiert werden, zugleich biete aber auch der Arbeitsmarkt „enorme Perspektiven“.

Zwei von fünf Bewohnern sind Flüchtlinge

Dieter Posch, der der kleinen burgenländischen Gemeinde Neudörfl vorsteht, ist überzeugt, dass man sich vor der eigenen Bevölkerung nicht fürchten müsse, wenn man sie entsprechend informiere und einbinde. Sieben ehemalige Flüchtlinge seien bereits in der Gemeindeverwaltung angestellt. Wenn sich alle Gemeinden beteiligten, gebe es kein Kapazitätsproblem, betonte er. Im Burgenland hätten erst 83 von 171 Gemeinden Flüchtlinge aufgenommen.

Auch Ali Mattar, Bürgermeister der libanesischen Stadt Sahel El Zahrani, rückte die Relationen zu Recht. In seinem Land seien zwei von fünf Menschen Flüchtlinge aus Syrien: „Es wird für unser Land immer schwieriger, damit umzugehen“. Dennoch rief keiner der Gemeindechefs nach Obergrenzen. Vielmehr sorgten sie sich um die Kinder, die seit Jahren keine richtige Schule besuchen und auch sonst unterversorgt seien. Die internationale Hilfe sei zwischen 2011 und 2015 um zwei Drittel gekürzt worden, beklagte Mohammed Ali Kilani von der jordanischen Charity Organization for Relief and Development (JHCO).

Die Konferenz fand nicht, wie viele Veranstaltungen in Wien, in imperialem Ambiente statt, sondern in einer Montagehalle der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Die ÖBB hatten seit September Flüchtlinge kostenlos zur deutschen Grenze transportiert. Die Entwicklungsagentur ADA und andere Bundeseinrichtungen hatten sich nicht an der privat finanzierten Veranstaltung beteiligt.

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erschienen in Ausgabe 3 / 2016: Flucht und Migration: Dahin, wo es besser ist
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