„Es fehlt der nötige Biss“

Entwicklungspolitik
Die Globale Partnerschaft für effektive Entwicklungszusammenarbeit kommt nur schwer in Gang. Beim jüngsten Treffen in Nairobi fehlten wichtige Länder wie China, Indien und Brasilien. Und das ist nicht ihr einziges Problem.

So richtig global ist die globale Partnerschaft noch nicht, die Geber- und Nehmerländer sowie Organisationen der Zivilgesellschaft und die Privatwirtschaft vor fünf Jahren gegründet haben, um die Entwicklungszusammenarbeit wirksamer zu machen. Anfang Dezember fand in Nairobi ihr zweites hochrangiges Treffen statt – und wichtige Länder wie China, Indien oder Brasilien waren nicht dabei. Dafür aber Stephan Klingebiel vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik in Bonn. Er erklärt, was in Nairobi herausgekommen ist und wo die Zukunft der Partnerschaft liegen könnte.

In Europa wird kontrovers diskutiert, ob Entwicklungszusammenarbeit migrations- und sicherheitspolitischen Zielen dienen soll. War das ein Thema in Nairobi?
Ja, etwa bei sogenannten „Side Events“ des Treffens, also Diskussionsveranstaltungen am Rande des Hauptplenums. Viele Geberländer haben die Erwartung geäußert, dass sie mit Entwicklungspolitik eigene Ziele verfolgen wollen. Entwicklungszusammenarbeit wurde auch als Investition bezeichnet, von der man sich Gewinne verspricht.

Und wie kam das bei nichtstaatlichen Organisationen und bei Nehmerländern an, die ja auch zur Partnerschaft gehören?
Im Abschlussdokument des Treffens wird das nicht mehr angesprochen: Der Begriff Migration taucht darin gar nicht auf, und um Sicherheit geht es nur im Zusammenhang mit fragilen Staaten.

Eine andere heiß diskutierte Frage: Welche Rolle soll die Privatwirtschaft in der Entwicklungszusammenarbeit spielen? Ist das ein Thema für die Globale Partnerschaft?
Auf jeden Fall. Zum einen gehört die Privatwirtschaft zur Globalen Partnerschaft. Allerdings hat sie sich bislang noch nicht allzu sehr daran beteiligt. Zum anderen spielt privates Kapital eine zunehmend wichtige Rolle in der Entwicklungsfinanzierung. Das war ein wichtiger Punkt in vielen Diskussionen.

Worum ging es noch in Nairobi?
Etwa um die Rollen der verschiedenen Mitglieder der Partnerschaft. Die Zivilgesellschaft hat deutlich gemacht, dass sie mehr Gewicht für sich beansprucht. So gibt es den Vorschlag, dass sich künftig nicht nur wie bisher drei Staaten den Vorsitz der Partnerschaft teilen, sondern auch nichtstaatliche Institutionen einen Sitz bekommen, die Wirtschaft und die Zivilgesellschaft. Ein anderer wichtiger Punkt ist die Daueraufgabe, die Partnerschaft wirklich global zu machen. Wie schon beim ersten hochrangigen Treffen 2014 in Mexiko haben auch jetzt wieder China, Indien und Brasilien nicht teilgenommen. Sogar Südafrika war dieses Mal nicht dabei.

Das sind Fragen zur Struktur. Was waren wichtige inhaltliche Themen?
Der gesamte Bereich der Begutachtung und Bewertung von Entwicklungszusammenarbeit und Entwicklungsfinanzierung sowie die Frage, wer rechenschaftspflichtig ist. Die Partnerschaft sieht darin ihren Hauptzweck, aber nach meinem Empfinden fehlt es noch an Instrumenten und an der Verbindlichkeit, um das zu erreichen. Wenn ich als Vertreter eines Geber- oder eines Nehmerlandes mit dem Abschlusspapier aus Nairobi nach Hause in meine Hauptstadt gehen würde, wüsste ich nicht, was ich auf der Grundlage dieses Papiers anders machen sollte. Da fehlt schlichtweg der nötige Biss, das muss konkreter werden. Das Problem ist, dass die neuen Geber wie Indien oder Brasilien sich in einer ganz anderen Rolle sehen. Mit anderen Worten: Je verbindlicher die Partnerschaft wird, desto weniger wollen diese Länder etwas damit zu tun haben.

Warum wollen die neuen Geber keine Verbindlichkeit?
So sagen die das natürlich nicht. Es gibt zwei Bedenken: Zum einen ist aus Sicht der Schwellenländer die Globale Partnerschaft immer noch stark von den alten Gebern aus der OECD geprägt. Zum anderen nehmen einige für sich in Anspruch, dass sich die Frage der Rechenschaftspflicht für sie nicht so stellt. Sie begründen das damit, dass ihre Entwicklungszusammenarbeit anders als die der alten Geber viel stärker von der Nachfrage der Partnerländer bestimmt ist. Das wurde in Nairobi kontrovers diskutiert, und etliche Partnerländer haben das zurückgewiesen und betont, dass sich die Frage der Rechenschaftspflicht letztlich für alle Geber stellt.

Wie ernst nehmen die alten Geber die Partnerschaft?
Gemessen an ihrer Rhetorik: sehr ernst. Das relativiert sich aber, wenn man sieht, dass nur sehr wenige Länder in Nairobi mit Ministern vertreten waren. Das bedingt sich gegenseitig: Je klarer die Ziele der Partnerschaft sind, desto leichter wäre es, hochrangige Vertreter dafür zu gewinnen. Und je hochrangiger die Teilnehmer sind, desto größer sind die Chancen, verbindliche Ergebnisse zu beschließen.

Hat die Partnerschaft denn nicht auch einen Nutzen als Forum, in dem sich die Mitglieder über Erfahrungen austauschen und voneinander lernen können – ganz unverbindlich?
Es gibt eine ganz wichtige Aufgabe der Partnerschaft: Sie kann als Plattform dienen, auf der die Umsetzung des UN-Nachhaltigkeitsziels Nummer 17 zur globalen Zusammenarbeit begleitet wird. Das für die Nachhaltigkeitsziele zuständige UN High Level Forum kann sich nicht um alle Aspekte jedes einzelnen Ziels kümmern. Dafür brauchen wir Strukturen eine Ebene tiefer. Für die Entwicklungszusammenarbeit könnte das das Development Cooperation Forum der Vereinten Nationen sein oder eben die Globale Partnerschaft. Das UN-Forum ist zwar von der Mitgliedschaft umfassender, aber es ist auch schwergängiger. Für die Globale Partnerschaft ist das eine Chance. Sie müsste deutlich machen, wie sie das UN-High Level Forum mit Blick auf Ziel Nummer 17 unterstützen kann.

Deutschland hat in Nairobi zusammen mit Uganda und Bangladesch den Vorsitz der Partnerschaft übernommen. Was erwarten Sie?
Mich freut, dass Deutschland das macht, weil es einen guten Ruf in der Partnerschaft hat. Eine erste Aufgabe wäre, ihren Daseinszweck präziser zu klären, etwa als Plattform für Nachhaltigkeitsziel 17. Das zweite wäre, mit den großen neuen Gebern zu besprechen, wie die Partnerschaft attraktiver werden könnte für sie. Welche Reformmöglichkeiten gibt es, wo muss eventuell nur die Wahrnehmung der neuen Geber korrigiert werden? Da kann Deutschland eine wichtige Rolle spielen, weil seine Entwicklungspolitik weniger interessengeleitet ist als die anderer Geber.

Das Gespräch führte Tillmann Elliesen.  

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erschienen in Ausgabe 2 / 2017: Europa: Die zaudernde Weltmacht
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