Selbstkritisches aus der Weltbank

World Development Report 2017
Die Weltbank fordert in ihren Weltentwicklungsbericht die Geber ungewohnt klar auf, Entwicklungshilfe stärker politisch zu denken. Und sie wendet sich, ohne das offen zu sagen, von eigenen früheren Empfehlungen ab.

Schlechte Regierungsführung ist ein entscheidendes Entwicklungshemmnis – das ist lange bekannt. Seit den 1990er Jahren wollen viele Geber von Entwicklungshilfe gezielt die Politik in Ländern des Südens verbessern, etwa mit Projekten gegen Korruption und zur Stärkung von Medien oder mit Ausbildung für Beamte. Glaubt man dem neuen Weltentwicklungsbericht, dann gehen sie dabei oft von falschen Annahmen aus.

Der Bericht "Governance and the Law" versteht unter „governance“ den Prozess, in dem der Staat und Gruppen aus der Gesellschaft zusammenwirken, um Politik zu formulieren und umzusetzen. Er geht über die konventionelle Sicht auf schlechte Regierungsführung hinaus mit der Forderung, man müsse verstehen, warum sie so oft schlecht sei. Der gängige Verweis auf Institutionen reiche nicht, und auch der Wille oder Unwille der Machthaber sei keine ausreichende Erklärung. Entscheidend seien vielmehr ständige Aushandlungen innerhalb der Elite und zwischen ihr und der Bevölkerung – auch über neue Regeln und Institutionen. Die Kräfteverhältnisse dabei prägten das Ergebnis. Bei allen Einwirkungen von außen müsse man die Folgen für diese Machtverhältnisse bedenken.

Dafür entwirft der Bericht einen theoretischen Rahmen. Das liest sich zäh, aber einige Schlussfolgerung lassen aufmerken. Eine lautet: Das übliche Capacity Building – etwa Beratung und Ausbildung für Behörden oder Parlamente – greift zu kurz. Denn politische Auseinandersetzungen bestimmten, ob und wofür eine Institution ihre Fähigkeiten nutzt. Auch sei es nicht immer sinnvoll, die ökonomisch gesehen beste Regelung anzustreben. Denn die könne erstens politisch undurchführbar sein und zweitens, wenn sie durchsetzbar ist, das Machtgleichgewicht einer Gesellschaft zum Schlechteren verändern. Als Beispiel wird die rasche Privatisierung in Russland angeführt, die Ökonomen der Weltbank und des Weltwährungsfonds damals befürwortet hatten: Sie habe die neue Klasse von Oligarchen geschaffen, die nun die Wirtschaft lähme.

Abkehr vom Ideal der Deregulierung

Mit zwei Arten der äußeren Einwirkung befasst der Bericht sich näher. Die erste sind internationale Regeln und Institutionen, etwa Handelsverträge. Sie helfen laut der Weltbank, politische Missstände zu überwinden, wenn sie höhere Standards für Unternehmenssteuern, Arbeitsrechte und Umweltschutz setzen und einen Wettlauf nach unten verhindern. Das ist eine bemerkenswerte Abkehr vom Ideal der Deregulierung und des Wettbewerbs um Investoren, das auch die Weltbank lange verkündet hat. Zudem werden globale Regeln hier nach ihrer innenpolitischen Wirkung beurteilt statt nach Modellen für wirtschaftliche Effizienz. Das dürfte bereits eine Lehre aus dem Erstarken populistischer Bewegungen sein.

Zweitens betrachtet der Bericht die Entwicklungshilfe genauer. Sie könne politische Reformen sowohl fördern als auch behindern; man solle daher genau überlegen, welche Kräfte man jeweils stärke. Das allerdings falle vielen Geberagenturen wegen ihres bürokratisch-technischen Ansatzes schwer. Und, so kann man hinzufügen, es stößt auf politische Hürden: Die Weltbank darf als multinationale Institution ihre Kredite nicht für gezielte Einwirkung nutzen. Neue Geber wie China wollen das nicht. Und auch den anderen kommen bei dem Versuch immer wieder andere politische Ziele in die Quere.

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erschienen in Ausgabe 3 / 2017: Indigene Völker: Eingeboren und ausgegrenzt
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