Die neuen Deutschen reden mit

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Migranten
Initiativen von Menschen aus Einwandererfamilien wollen dem Rechtspopulismus in Deutschland eine politische Stimme entgegensetzen. Dafür haben sie eine Geschäftsstelle in Berlin eröffnet.

Als Reaktion auf die rechtspopulistische Pegida-Bewegung hatten sich 2015 rund 80 Gruppen und Initiativen von Menschen der zweiten und dritten Einwanderungsgeneration zum Netzwerk „Neue Deutsche Organisationen“ (NDO) zusammengeschlossen. Ihre Zahl ist inzwischen auf 120 gestiegen: darunter sind die „Neuen deutschen Medienmacher“, die sich seit 2008 für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen, die „Schülerpaten“, die Bildungspatenschaften zwischen Ehrenamtlichen und Schülerinnen und Schülern mit arabischem Migrationshintergrund vermitteln, sowie das interkulturelle Kompetenznetzwerk „DeutschPlus“. Um stärker politischen Einfluss zu nehmen und ihre Interessen besser zu bündeln, haben sie Mitte Juli eine Hauptstadt-Repräsentanz gegründet.

Einwanderer seien längst keine Minderheit mehr, betont NDO-Sprecherin Ferda Ataman. „Wir sind viele und wir wollen mitreden, wenn es um die Zukunft der deutschen Gesellschaft geht, nicht nur in Sachen Integration und Migration“. Das Netzwerk will Organisationen von Migrantinnen und Migranten, die sich mit viel ehrenamtlichem Engagement von einer Projektförderung zur nächsten hangeln, bei der Lobbyarbeit unterstützen. Es will professionelle Strukturen schaffen, die eine langfristige Kommunikation mit der Politik auf Augenhöhe ermöglichen.

Wir wählen Demokratie!

Gabriele Gün Tank leitet die neue Geschäftsstelle in Berlin und wird von vier Teilzeitkräften unterstützt. Finanzielle Hilfe kommt von der Mercator-Stiftung. „Vor ein paar Tagen haben wir noch Tische zusammengeschraubt“, erzählt sie. Nun gehe es verstärkt an die Planung einer Veranstaltung „Yalla, wir wählen Demokratie!“ am 9. September in der Hertie School of  Governance in Berlin. Kurz vor der Bundestagswahl solle mit Vertreterinnen und Vertretern von CDU, SPD, Grünen und Linken über die Forderungen der NDO diskutiert werden, um die Öffentlichkeit zu informieren, wofür die Parteien stehen.

Die NDO beteiligen sich mit Veranstaltungen, Positionspapieren und Pressearbeit an gesellschaftlichen Debatten. Eine der 13 Forderungen auf ihrem Bundeskongress im Gründungsjahr 2015 lautete: „Wir wollen keine Integrationspolitik, sondern eine Gesellschaftspolitik, die sich an alle Bevölkerungsgruppen richtet“, und diese solle „Maßnahmen gegen Diskriminierung und Rassismus“ beinhalten. 2016 verlangten sie unter anderem, „gleichberechtigte Teilhabe und Integration“ als „neues Staatsziel“ im Grundgesetz zu verankern. Im Mai 2016 gehörten sie zu den Erstunterzeichnern eines Offenen Briefes gegen das von der Bundesregierung geplante Integrationsgesetz, der diese Forderungen aufnimmt und vor einem „Rückschritt in die 1980er Jahre“ warnt.

Gegen Diskriminierung in der Schule

Der nächste Bundeskongress 2018 werde sich mit Rassismus und Bildung beschäftigen, sagt Gün Tank. Es gehe um die Stärkung von Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern, die  Rassismus erfahren haben, aber auch um institutionelle Diskriminierung. Angesprochen auf das Vorhaben der neuen CDU/FDP-Landesregierung in Nordrhein-Westfalen, anonymisierte Bewerbungsverfahren wieder abzuschaffen, meint sie, man könne Chancengerechtigkeit auch über Zielquoten herstellen. Als ehemalige Integrationsbeauftragte des  Berliner Bezirks Tempelhof-Schöneberg verweist sie auf eine Regelung des Senats für Auszubildende mit Migrationsgeschichte.

Je nach den Wünschen der Mitgliedsorganisationen setzten die NDO in den kommenden Jahren Schwerpunkte auf Gesundheit, soziale Themen, Kultur. „Mein Wunsch wäre“, so Gün Tank, „dass wir in zehn Jahren Profis zu verschiedenen Fachgebieten vermitteln können und auch in der Landes- und Kommunalpolitik aktiv sind“. Einen Expertenpool für Medien, Politik, Stiftungen und andere gibt es bereits – den 2013 von den Neuen deutschen Medienmachern initiierten „Vielfaltsfinder“. 

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erschienen in Ausgabe 9 / 2017: Religion und Umwelt
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