Am Bedarf vorbei

Entwicklungshilfe im Kongo
Die Geber wollen, dass der Kongo besser regiert wird. Ihre Hilfe trägt leider nur wenig dazu bei.

Seit den frühen 1990er Jahren gibt es in der Demokratischen Republik Kongo immer wieder Krieg, vor allem in den östlichen Landesteilen. Viele bewaffnete Gruppen in diesen Regionen haben das Land destabilisiert und sind deshalb ein wesentlicher Grund dafür, dass der Staat so schwach ist. Unter dieser Schwäche leiden die Justiz und der Sicherheitssektor, Straflosigkeit ist im Kongo mittlerweile die Norm, Korruption ist allgegenwärtig.

Das hat schwerwiegende Folgen für die kongolesische Bevölkerung. Sie hat nur sehr begrenzt Zugang zu öffentlichen Diensten wie Bildung, Gesundheit, Stromversorgung oder Transport. Viele Geber hat das veranlasst, ein besonderes Augenmerk auf Programme für gute Regierungsführung zu legen. Sie gehen davon aus, dass das ein wichtiger Beitrag ist, die lang anhaltenden Konflikte im Kongo zu lösen.

Doch trotz dieses Engagements hat die Regierungsführung in der DR Kongo weiter große Mängel. Die Geber haben mit ihren Programmen bislang vor allem in den Bereichen Menschenrechte, Sicherheitspolitik, Justiz, Medien und Abbau von Rohstoffen angesetzt. Millionen US-Dollar wurden investiert, um die Regierungsführung in diesen Bereichen zu verbessern – mit sehr begrenztem Erfolg. Als Gründe für die schlechte Bilanz nennen zivilgesellschaftliche Organisationen: Den kongolesischen Entscheidungsträgern fehlt der Wille zu nötigen Reformen; die Geber orientieren sich häufig nicht an den Prioritäten der Regierung und zivilgesellschaftlicher Organisationen; lokalen Organisationen fehlen die Kapazitäten, um verfügbare Finanzmittel sinnvoll zu verwenden; und in Regierungsinstitutionen und zivilgesellschaftlichen Organisationen mangelt es an geeignetem Personal.

Die Missachtung nationaler Prioritäten werten zivilgesellschaftliche Organisationen als großen Schwachpunkt von Projekten für gute Regierungsführung. Denn das macht es schwer, die Regierung und die Zivilgesellschaft für diese Projekte zu gewinnen. Sie sind lediglich an der Durchführung beteiligt, wenn die strategischen Entscheidungen der Geber schon gefallen sind. Das verringert die Chancen, dass sie sich mit den Vorhaben identifizieren.

Programm ohne nachhaltige Wirkung

Das von der Europäischen Union geförderte Programm zur Reform der Justiz in der DR Kongo, das im April 2010 gestartet wurde, ist ein Beispiel für einen solchen Fehlschlag. Ziel war, das Justizsystem zu verbessern, doch genau das ist nicht gelungen – und eine Evaluierung hat gezeigt, warum nicht. Zum einen war das Programm von Beginn an falsch angelegt. Weder die kongolesische Regierung, vor allem das Justizministerium und ihm angegliederte Behörden, noch die Zivilgesellschaft waren beteiligt, die dringendsten Bedürfnisse des Landes in diesem Bereich zu ermitteln. Die Folge war, dass die kongolesische Seite sich mit dem Programm nicht identifiziert hat. Dieser Mangel an „ownership“ drückt sich auch darin aus, dass der Kongo so gut wie keinen finanziellen Beitrag dazu geleistet hat. Das erklärt, dass die lokalen Projektpartner sich bei der Durchführung des Programms kaum engagiert haben – mit der Folge, dass es keine nachhaltige Wirkung hatte.

Zum anderen war das Programm nur auf einige Landesteile beschränkt. Eine Reform der Justiz kann aber nur dann wirken, wenn sie das ganze Land betrifft und von der Regierung entworfen und verwirklicht wird; die Geber können ein solches nationales Reformprogramm letztlich nur unterstützen. Zivilgesellschaftliche Organisationen und Juristen haben an dem Programm außerdem bemängelt, dass es sich auf das Funktionieren des Justizsystems beschränkt hat. Gebraucht wird im Kongo aber die Reform von Institutionen: Das würde die Regierungsführung verbessern sowie das Rechtsstaatsprinzip und die Menschenrechte stärken.

Das ist ein grundsätzliches Problem vieler Geberprogramme: Sie ignorieren oft institutionelle Schwächen lokaler Organisationen. Das betrifft vor allem zivilgesellschaftliche Organisationen: Die Geber unterstützen NGOs nur wenig dabei, ihre Systeme zur Rechenschaftslegung und Buchhaltung zu verbessern. Wenn die aber nicht gestärkt werden, werden sie von vielen Gebern nicht direkt gefördert. Die Geber kooperieren dann lieber mit internationalen Organisationen oder den Vereinten Nationen, die ihrerseits lokale Organisationen unter Vertrag nehmen. Die internationalen Organisationen haben aber oft nur geringe Kenntnis von den lokalen Gegebenheiten.

Ein gelungenes Projekt für gute Regierungsführung

Die Missachtung institutioneller Aspekte erschwert auch Erfolge im Kampf gegen die Korruption. In einer Evaluierung der EU-Programme für gute Regierungsführung in der DR Kongo aus dem Jahr 2013 heißt es, die Projekte gegen Korruption seien gescheitert, weil Korruption nur als technisches Problem behandelt worden sei: Es sei nur um Systeme zur Datenverarbeitung, um Training und um Gesetze gegangen, während politische Fragen ignoriert worden seien. Ohne Zweifel würde es interessantere Ergebnisse bringen, würde man Parlamente, Gerichte sowie Antikorruptionsstellen und Institutionen zur Rechnungsprüfung stärken.

Autor

Nene Morisho

ist Direktor des Pole Institute in Goma im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Das Institut befasst sich mit Fragen sozialer und kultureller Entwicklung sowie der Bearbeitung von Konflikten.
Die Weltbank hat vorgemacht, wie ein gelungenes Projekt für gute Regierungsführung aussieht. Beim Projekt für einen Haushalt mit Bürgerbeteiligung in der Provinz Süd-Kivu ging es darum, das Finanzgebaren, die Transparenz und die Rechenschaftslegung lokaler Behörden zu verbessern. Das Vorhaben sollte außerdem den Austausch zwischen Bürgern und Behörden stärken und Misstrauen zwischen beiden abbauen. Es stellte sich schnell heraus, dass dieses Anliegen zu den Prioritäten sowohl der Regierung als auch der Zivilgesellschaft gehört. Tatsächlich heißt es sogar in der Verfassung des Kongo, dass die Beteiligung der Bürger an politischen Entscheidungen gestärkt werden soll.

Für zivilgesellschaftliche Organisationen im Kongo steht es ganz oben auf der Prioritätenliste, dass sie besser an der Identifizierung von Projekten beteiligt werden, die aus lokalen Haushalten finanziert werden, und dass die politisch Verantwortlichen mehr Rechenschaft ablegen. Deshalb stehen sie voll hinter Entwicklungsvorhaben, die mehr Bürgerbeteiligung bei Haushaltsentscheidungen zum Ziel haben. Das Weltbank-Projekt brachte denn auch interessante Ergebnisse: Einige direkt von der Bevölkerung ausgesuchte Bauvorhaben wurden verwirklicht, etwa eine Brücke über einen Fluss, der bis dahin eine beliebte Wohngegend und eine Schule voneinander getrennt hatte, sowie ein Fußballstadion und ein Volleyballfeld.

Angesichts der guten Ergebnisse entschied die Provinzregierung, diese Art Bürgerbeteiligung verbindlich in der ganzen Provinz einzuführen. Heute, fünf Jahre nach dem Ende des Weltbank-Projekts, werden in etlichen Distrikten Haushalte immer noch mit Beteiligung der Bürger beraten, und die lokalen Behörden leisten mehr Rechenschaft gegenüber der Bevölkerung. Das zeigt, dass Vorhaben zur Verbesserung der Regierungsführung gelingen können, wenn sie den lokalen Bedürfnissen und Prioritäten entsprechen und wenn lokale Kräfte von der Planung bis zur Durchführung beteiligt werden.

Aus dem Englischen von Tillmann Elliesen.

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erschienen in Ausgabe 10 / 2017: Kongo: Das geschundene Herz Afrikas
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