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Atlas der Zivilgesellschaft
Sorge über schrumpfende Freiräume: Die internationale Allianz für Bürgerrechte CIVICUS und Brot für die Welt dokumentieren, wie zivilgesellschaftliches Engagement weltweit beschnitten wird.

Laut den Zahlen von CIVICUS leben nur zwei Prozent der Weltbevölkerung in Ländern, in denen sie uneingeschränkte zivilgesellschaftliche Freiheiten genießen. Diese insgesamt 22 Länder, die meisten aus Europa, stuft CIVICUS als „offen“ ein. In weiteren 117 Staaten seien der zivilgesellschaftliche Handlungsspielraum „eingeengt“ oder gar die Grundrechte „beschränkt“. In 34 Staaten, darunter Ägypten, Angola, Liberia, Mexiko, Ruanda und Thailand, werde die Zivilgesellschaft „unterdrückt“ und in 21 Staaten sei jeglicher Spielraum „geschlossen“, etwa weil Krieg oder wie in Nordkorea eine Diktatur herrsche.

Für Brot für die Welt ist der Kampf um die Freiheit der Zivilgesellschaft „ein genuin entwicklungspolitisches Anliegen“. Denn die Entwicklung von Gesellschaften werde wesentlich von zivilgesellschaftlichen Initiativen vorangetrieben, heißt es im Atlas der Zivilgesellschaft. Das könne etwa damit belegt werden, dass es eine Korrelation gebe zwischen dem Stand menschlicher Entwicklung in einem Land und dem Grad zivilgesellschaftlicher Freiheit: Je freier ein Land sei, desto weiter oben stehe es im Index für menschliche Entwicklung (Human Development Index) der Vereinten Nationen.

Deshalb müsse auch Deutschland stärker in die Pflicht genommen werden, forderte die Präsidentin von Brot für die Welt, Cornelia Füllkrug-Weitzel. "Unsere Partner weltweit setzen ihre Hoffnung auf die künftige Bundesregierung." Sie müsse "eine Bastion gegen diesen Trend sein" und sich dafür einsetzen, dass die Stimme der Zivilgesellschaft überall gehört werde.

Wie die Wirtschaft trickst

Der Atlas zeigt am Beispiel von Partnerorganisationen von Brot für die Welt in Aserbaidschan, Brasilien, Honduras, Kenia, auf den Philippinen und im Tschad wie sich die Behinderung oder gar das Verbot von zivilgesellschaftlichem Engagement auswirkt. Oft geht es um Initiativen, die sich gegen die Ausbeutung natürlicher Ressourcen ohne Rücksicht auf Mensch und Umwelt richten. So sei die Zahl der Morde an Umweltaktivistinnen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen.

Wie Regierungen und Konzerne den Widerstand gegen Projekte zur Ausbeutung natürlicher Ressourcen niederschlagen, schildert auch der Bericht „Tricky Business“, den die Heinrich-Böll-Stiftung und das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) unlängst vorgelegt haben. In den Beispielen geht es um Entwaldung in Indien, Windfarmen in Mexiko, eine Platinmine in Südafrika und Plantagen auf den Philippinen.

Die Studie zeigt, dass die Einschränkung von zivilgesellschaftlichen Aktivisten, die gegen Landraub und Umweltzerstörung protestieren und den Schutz von Lebensraum und Mitsprache bei der Ressourcennutzung fordern, häufig demselben Muster folgt. Bei vielen Vorhaben etwa seien die gesetzlich vorgeschriebenen Konsultationen mit der lokalen Bevölkerung reine Alibiverfahren.

Oft habe die Zivilgesellschaft nicht wirklich einen Platz am Tisch. In einem „Fake Space“, so die Autoren, dienten Scheinkonsultationen der Legitimierung von Projekten, ohne dass die Bevölkerung tatsächlich mitsprechen und Einfluss nehmen könne. Der Zugang zu Informationen werde verweigert, gesetzliche Vorschriften würden ignoriert, Aktivistinnen kriminalisiert und mit Klagen überzogen.

Gegenwehr unterstützen

Die Autoren plädieren dafür, nicht immer nur Bestandsaufnahmen von „Shrinking Space“ vorzunehmen, sondern Gegenstrategien von betroffenen Gemeinschaften stärker zu unterstützen. Zudem müssten die Privatwirtschaft stärker in die Pflicht genommen und die Rolle des Rechts in den Auseinandersetzungen gestärkt werden. Die Konsultationen mit der Bevölkerung in Projektgebieten müssten unabhängig von den beteiligten Unternehmen sein, andernfalls bekämen die Bewohner keine neutralen Informationen. Gemeinden würden auf diese Weise oft in Nutznießer und potenzielle Verlierer der Projekte gespalten.

In solchen Fällen könnten international erfahrene Menschenrechtsorganisationen wie die Peace Brigades International oder Frontline Defenders vermittelnd eingreifen, mögliche Allianzen mit Nachbargemeinden schmieden und international Aufmerksamkeit schaffen. Die Konsultationen müssten so angelegt werden, dass sie ein Projekt über seine Dauer begleiten und die Regierung sich neutral verhält.

Die Autoren fordern zudem, dass beteiligte Unternehmen von ihren Heimatregierungen stärker verpflichtet werden, Menschenrechtsverstößen vorzubeugen und öffentlich zu protestieren, wenn es zu Gewalt gegen Aktivisten kommt. „Deutschland muss in seinem Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte den Schutz von Menschenrechtsverteidigern verankern.“

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erschienen in Ausgabe 3 / 2018: Kunst und Politik: Vom Atelier auf die Straße
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