Almosen reichen nicht mehr

Die Weltwirtschaftskrise greift auf die Entwicklungsländer über. Eine Expertenanhörung im Bundestag ergab, dass sie dringend finanzielle Hilfe brauchen, um damit fertig zu werden. Ansonsten drohten Entwicklungserfolge der vergangenen Jahre verlorenzugehen.

Ein Prozent weniger Wachstum der Weltwirtschaft heiße 20 Millionen Menschen mehr in extremer Armut, rechnete Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul in ihrer jüngsten Regierungserklärung im Bundestag vor. Nötig sei ein „globaler Pakt" - vornweg ein Konjunktur- und Investitionsprogramm nicht nur in den Industrieländern, sondern auch für die Entwicklungsländer.

Dass im 50 Milliarden Euro schweren Konjunkturpaket II der Bundesregierung 100 Millionen Euro für die Entwicklungsländer vorgesehen sind, ließ Wieczorek-Zeul nicht unerwähnt. Aber begeistert schien sie nicht. Immerhin hatte Weltbank-Präsident Robert Zoel­lick vorgeschlagen, mindestens ein Prozent der weltweit inzwischen billionenschweren Rettungsprogramme für die ärmsten Länder abzuzweigen - im Fall Deutschlands wären das 500 Millionen Euro. Der Dachverband der entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen VENRO nannte die 100-Millionen-Gabe denn auch ein „Almosen".

Das Wirtschaftswachstum der Entwicklungsländer wird in diesem Jahr nach Schätzungen um mindestens zwei bis drei Prozentpunkte zurückgehen, obwohl viele unter ihnen wenig oder gar nicht in die Finanzkrise verwickelt sind. Die Folgen schlagen dennoch voll auf sie durch: Die Exportnachfrage lässt nach, die Investitionen aus dem Ausland schrumpfen ebenso wie die Rücküberweisungen von Migranten. Zusätzlich wird es für die armen Länder derzeit immer schwieriger, auf den Kapitalmärkten neue Kredite zu erhalten. Bei einer Anhörung im Bundestagsausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AWZ) zum Thema Finanzkrise stellten die geladenen Experten fest: Die Entwicklungsländer müssen Teil der Lösung sein, wenn nicht alle Entwicklungserfolge der vergangenen Jahre verloren gehen und die Länder des Südens künftig als Handelspartner ausfallen sollen.

Die Mehrheit der Experten war sich einig, dass jene Länder finanzielle Unterstützung von außen erhalten müssen, die kein Geld mehr auf den Märkten bekommen und deren nationale Budgets samt der ohnehin zu geringen Mittel für Sozialleistungen darunter leiden. Die Weltbank plane, ihre Ausleihungen binnen drei Jahren um bis zu 100 Milliarden US-Dollar zu erhöhen. Aber auch die bilaterale Hilfe der einzelnen Geber müsste nach Ansicht der Experten erhöht und schnell zur Verfügung gestellt werden. So könnte Budgethilfe dazu beitragen, drastische Einschnitte bei Infrastruktur-, Bildungs- und Gesundheitsprojekten zumindest abzumildern.

Ob es damit getan wäre, daran gab es Zweifel. Für Peter Wahl (weed/attac) stand fest: Neue Mittel aus den alten Töpfen allein genügen nicht. IWF und Weltbank müssten künftig „unter die Ägide der G-20" gestellt werden, statt allein den Interessen der starken Industrieländer zu dienen. Im Kreis der G-20-Staaten wiederum müssten die armen Länder mehr zu sagen haben. Und für Yash Tandon vom South Centre in Genf wäre es für die Entwicklungsländer besser, sie würden sich aus ihrer Abhängigkeit vom Norden lösen und ihr Heil in regionaler Selbstorganisation suchen.

Johannes Schradi

 

 

 

erschienen in Ausgabe 3 / 2009: Südafrika: Neue Freiheit, alte Armut

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