Riskanter Dialog

Die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) und der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) haben mit Blick auf die Bundestagswahl im September gemeinsame Empfehlungen für die deutsche Gesundheitspolitik in Entwicklungsländern vorgelegt. Die Kirchen sehen in dem Dialog mit der Industrie einen Weg, auf deren Geschäftsgebaren Einfluss zu nehmen. Einige nicht kirchliche Organisationen kritisieren die gemeinsame Stellungnahme. Der Pharmaverband sei nicht glaubwürdig und der gemeinsame Auftritt schade der kritischen Position der Kirchen.

85 Prozent der Menschen weltweit haben keinen ausreichenden Zugang zu Medikamenten. Arzneien sind häufig unerschwinglich für die Armen. Seit Jahren erheben entwicklungspolitische Organisationen den Vorwurf, die Pharmaindustrie schere dies nicht. Sie halte nicht nur eisern an den Patentrechten fest, die ihr hohe Preise sichern, sondern entwickele auch kaum Medikamente für Krankheiten, die hauptsächlich in Entwicklungsländern vorkommen.

Nun hat der Lobbyverband der deutschen Pharmaindustrie Besserung gelobt. Der Dialog mit den Kirchen zwinge dazu, die „eigene Rolle für die globale Gesundheit zu überdenken", erklärte unlängst selbstkritisch die vfa-Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer. Mit Dialog meint Yzer den Meinungsaustausch mit Vertretern kirchlicher Einrichtungen unter dem Dach der GKKE, den es schon seit den 1990er Jahren gibt.

Aus diesem Dialog sind jetzt gemeinsame Handlungsempfehlungen für die künftige Gesundheitspolitik der Bundesregierung hervorgegangen. Man habe „über die Jahre das Tischtuch zusammengehalten", erklärt Prälat Bernhard Felmberg von der GKKE - trotz vielerlei Meinungsunterschieden in der Frage der Patenrechte, der Bereitstellung günstiger Medikamente oder der Ausrichtung der pharmazeutischen Forschung.

Die Kirchen und der Pharmaverband anerkennen in ihrem gemeinsamen Papier, dass preisgünstige Nachahmer-Medikamente (Generika) in armen Ländern den Zugang zu Arzneien erleichtern können. Die Hersteller der patentgeschützten Originalpräparate sollten deshalb verstärkt freiwillige Lizenzen an Generika-Hersteller vergeben. Zudem müssten Schwellen- und Entwicklungsländer eigene Produktionskapazitäten aufbauen; die Pharmaindustrie sei bereit, dabei zu helfen. Der vfa betont in dem Papier, schon heute differenziere die Industrie bei Preisen und verzichte auf Profite in ärmeren Ländern oder spende Medikamente.

Der Bundesregierung empfehlen die Kirchen und die Industrie, eine „hochrangig angesiedelte Koordinierungsstelle" einzurichten, um die gesundheitspolitischen Maßnahmen der verschiedenen Ministerien (besonders Gesundheit und Entwicklung) besser abzustimmen. Sie erwarten zudem, dass die Regierung ihre finanziellen Zusagen zur Gesundheitsförderung in armen Ländern erfüllt. Außerdem solle sie darauf hinwirken, dass die Schwellen- und Entwicklungsländer sich selbst in Gesundheitsfragen stärker engagieren. Eine schlechte Infrastruktur, mangelhafte Bedarfsermittlung, Zölle und hohe Steuern auf Medikamentenimporte seien große Hindernisse für eine ausreichende Arzneimittelversorgung.

Bei einigen Organisationen, die sich mit Gesundheitsfragen befassen, stößt das GKKE-vfa-Papier indessen auf Kritik. Gegen den Dialog mit der Industrie sei gar nichts einzuwenden, sagt Christian Wagner-Ahlfs von der BUKO-Pharmakampagne. Die gemeinsame öffentliche Stellungnahme sei aber „bedenklich", weil sie die Konflikte verschleiere, die es zwischen beiden Seiten gebe. „Das schadet der kritischen Position der Kirchen."

Auch Andreas Wulf von medico international kritisiert, es sei nicht klar, wessen Sichtweise das Papier eigentlich wiedergebe. „Auf eigenen Veranstaltungen redet der Pharmaverband ganz anders über Patente und Generika." Wenn der vfa seine Position wirklich geändert habe, könne er das ja in einer eigenen Stellungnahme kundtun; im gemeinsamen Papier mit der GKKE hingegen sei das nicht glaubwürdig.

Wulf kritisiert auch die Kirchen. Die Veröffentlichung der gemeinsamen Stellungnahme „fällt der Arbeit vom Fachkreis Pharma im Aktionsbündnis gegen Aids in den Rücken". In dem Aktionsbündnis sind auch die Kirchen engagiert. Andere Mitglieder seien nicht informiert worden über das Papier mit der Industrie, moniert Wulf. Seiner Ansicht nach ist der gemeinsame öffentliche Auftritt mit den Kirchen für die Pharma-Lobby eine willkommene Gelegenheit, die Kritiker zu spalten.

In den kirchlichen Einrichtungen, die das Papier mit unterzeichnet haben, sieht man das anders. Beides sei wichtig und sinnvoll: sowohl der Dialog mit der Industrie als auch kritische Kampagnen. Die gemeinsame Arbeitsgruppe ermögliche es, bei der Industrie „einen Fuß in die Tür zu kriegen", sagt Gisela Schneider, die Leiterin des Deutschen Instituts für ärztliche Mission (DIFÄM) in Tübingen. Sie glaube nicht, dass der Pharmaverband das Papier nur aus Kalkül mittrage: „Bei denen bewegt sich wirklich etwas." Karl-Heinz Hein-Rothenbücher, der Geschäftsführer des katholischen Missionsärztlichen Instituts in Würzburg, sieht das auch so: „Wir legen die Industrie auf bestimmte Positionen fest und pochen bei gegebenem Anlass darauf, dass sie sie auch in die Tat umsetzt."

Doch genau daran hapert es - auch nach Ansicht von Teilnehmern des Dialogs. Die gemeinsamen Papiere mit der Industrie aus den vergangenen zehn Jahren hätten bislang kaum praktische Folgen gehabt. Damit sei man „noch nicht zufrieden", heißt es. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist der Dialog mit der Industrie auch in den kirchlichen Einrichtungen nicht unumstritten.

Tillmann Elliesen/Johannes Schradi

 

 

erschienen in Ausgabe 6 / 2009: Kleidung – Wer zieht uns an?

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