Der Klimawandel ist nicht nur ein Umweltproblem

Klimagerechtigkeit
„Klimagerechtigkeit jetzt“ ist einer der Slogans, mit dem Schülerinnen und Schüler seit drei Monaten weltweit für den Klimaschutz demonstrieren. Die Forderung mag für einige Menschen abstrakt klingen – für die Partnerorganisationen von Fastenopfer ist sie aber essenziell.

Auf Samar, der nach Luzon, Mindanao und Negros viertgrößten Insel der Philippinen, fragten mich kürzlich einige Fischerinnen und Fischer, was sie denn falsch gemacht hätten, dass Gott sie so sehr mit dem Klimawandel bestrafe? So sehr, dass sie seit Monaten nicht mehr aufs Meer hinausfahren könnten wegen der unruhigen See, und dass immer mehr und immer stärkere Taifune ihre Häuser und Boote zerstörten?

Die Menschen von Samar haben nichts falsch gemacht. Doch die Begegnung zeigt, wie wichtig es ist, Ross und Reiter zu nennen, wenn man von Klimagerechtigkeit spricht. Rund zehn Prozent der Weltbevölkerung bedrohen mit ihrem CO2-Ausstoß die ganze Menschheit. Besonders die Menschen auf den Philippinen mit ihren 7000 flach gelegenen Inseln sind durch den Klimawandel verwundbar. Gerade die Ärmsten wohnen in nicht gerade stabil gebauten Häusern an den Küsten.

Ungerecht ist, dass eine Minderheit sich erlauben kann, einen Wirtschafts- und Lebensstil zu pflegen, der allen Menschen weltweit schadet. Stichwort Kostenverteilung: Um Menschen vor den Klimaauswirkungen zu schützen, müssen Maßnahmen zur Risikominderung wie beispielsweise Fluchtpläne erarbeitet oder auch neue, an Dürre und Fluten angepasste Reissorten gezüchtet werden. Auch müssen zerstörte Häuser wieder aufgebaut und Menschen, für die das Leben in ihrer Heimat zu gefährlich geworden ist, an sichere Orte umgesiedelt werden. Um all das zu finanzieren, sind auf dem Klimagipfel in Paris 2015 den Entwicklungsländern jährlich 100 Milliarden US-Dollar zugesagt worden. Ab 2020 wollen Regierungen, vor allem aus dem Norden, dieses Beitragsniveau erreicht haben.

Die Verursacher sollten für die Schäden aufkommen

Ginge es nach dem Verursacherprinzip, läge ein fairer Beitrag der Schweiz bei etwa einer Milliarde US-Dollar jährlich. Doch die Schweizer Regierung plant, nur 500 Millionen US-Dollar zur Verfügung zu stellen und den Betrag zudem aus dem Entwicklungshilfebudget zu finanzieren. Damit wird das Geld den Entwicklungsländern zunächst weggenommen, um es ihnen anschließend  in neuer Form, als Klimageld, wiederzugeben.

Das ist eine ausgesprochene Klimaungerechtigkeit. Zusätzliche Aufgaben erfordern auch laut Klimarahmenkonvention der UN zusätzliche Mittel. Schließlich sollten die Verursacher des Schadens und nicht die Opfer dafür aufkommen.
Trotzdem sind die Menschen im globalen Süden in jedem Fall gezwungen, sich an die Veränderungen anzupassen. Deshalb unterstützt Fastenopfer beispielsweise 5000 Reis anbauende Familien in Mindanao. Mit Hilfe agrarökologischer Ansätze schaffen sie für sich und ihre Gemeinschaft eine sichere Lebensgrundlage: Sie bauen naturnah an und züchten zugleich selbst Reis. Hunderte von Sorten haben sie bereits entwickelt, Sorten, die trotz der veränderten klimatischen Bedingungen wachsen und Erträge liefern. Das ist in Zeiten des Klimawandels ihre Lebensversicherung.  Entsprechend beeindruckt war ich bei meinem Besuch auf ihren Reisfeldern.

Während die industrielle Reiszüchtung sich für neue Sorten gut bezahlen lässt, arbeitet das Bauernnetzwerk, das Fastenopfer unterstützt, fürs Gemeinwohl. Es hat eine Form der Gemeinwohlökonomie entwickelt, die allen dient. Und findet dabei Antworten auf Probleme, die Menschen auf der anderen Seite der Welt erzeugt haben. Dabei verdienen sie Unterstützung.
Es ist wichtig und richtig, dass sich nichtstaatliche Organisationen wie auch Schülerinnen und Schüler nicht nur gegen den Klimawandel, sondern auch für die Klimagerechtigkeit stark machen. Denn es geht auch um soziale Gerechtigkeit, nicht nur um ein Umweltproblem. Es geht um die Überwindung sozialer Ungleichheit sowie eines von fossilen Brennstoffen abhängigen Wirtschaftssystems. Es geht um das Recht von Gemeinschaften, ihre Zukunft mitzubestimmen.

Die Fischerinnen und Fischer haben verstanden, dass nicht sie für den Klimawandel verantwortlich sind. Das stärkt sie. Ob sie es weiterhin schaffen, ihren Familien und Gemeinschaften ein gutes Leben zu ermöglichen, liegt jetzt auch am Einsatz des globalen Nordens. 

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erschienen in Ausgabe 6 / 2019: Arznei und Geschäft
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