Die Gender-Politik der Gotteskrieger

Zum Thema
Somalia
Sie missionieren, sammeln Spenden und schmuggeln Waffen: Frauen unterstützen die Terrormiliz Al-Shabaab in Somalia auf vielfältige Weise. Dafür machen die männlichen Gotteskrieger sogar Abstriche bei ihrer Ideologie, heißt es in einer aktuellen Studie.

Die Ideologie von Al-Shabaab ist zutiefst frauenfeindlich. Wo die Islamisten in dem ostafrikanischen Land das Sagen haben, dürfen Frauen das Haus nicht ohne einen männlichen Begleiter verlassen und müssen Gesicht und Körper verschleiern. Auch Steinigungen gab es Berichten zufolge in den vergangenen Jahren. Doch es wäre zu kurz gedacht, Frauen auf ihre Opferrolle zu reduzieren; vielmehr übernehmen sie wichtige Aufgaben für die Terrormiliz und tragen zu deren Stabilität bei. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie der International Crisis Group.

Der friedenspolitischen Denkfabrik ist es gelungen, ehemals mit der Terrororganisation verbundene Frauen zu interviewen. Auch mit deren Familienangehörigen sowie somalischen Sicherheitskräften und zivilgesellschaftlichen Aktivisten haben die Autoren gesprochen. Die Ergebnisse seien nicht repräsentativ, schreiben die Verfasser. Dennoch zeige die Studie, wie Frauen die Terrormiliz sehen und unterstützen.

Obwohl sie nicht zu Kämpferinnen ausgebildet werden, übernehmen Frauen der Studie zufolge eine Reihe von Aufgaben für Al-Shabaab. Zum Beispiel missionieren die Ehefrauen von hochrangigen Kämpfern im Auftrag der Terroristen: Sie ziehen von Haus zu Haus und versuchen andere Frauen von der Ideologie der Gotteskrieger zu überzeugen; zudem organisieren sie Lesungen und Seminare.  

Frauen helfen auch, die Kasse von Al-Shabaab zu füllen. Sie seien verantwortlich für das Eintreiben von Spenden, mit denen die Miliz soziale Wohltaten in ihren Einflussgebieten finanziert . Die männlichen Gotteskrieger seien auf die persönlichen Netzwerke von Frauen angewiesen, um diese Gelder zusammenzubekommen, heißt es in der Studie.

Soldaten nehmen sie nicht als Bedrohung war

Die Studie zeigt, dass Al-Shabaab die traditionell verankerten Geschlechterstereotypen in der somalischen Gesellschaft geschickt für den eigenen Kampf nutzt. So schmuggelten Frauen häufig Waffen an Militärposten der Zentralregierung vorbei. Die Soldaten nähmen sie nicht als Bedrohung wahr – und weil es kaum weibliches Sicherheitspersonal gebe, entgingen sie meistens einer Durchsuchung. Häufig böten Frauen männlichen Kämpfern auch einen Unterschlupf, um Sicherheitskräften zu entkommen.   

Warum helfen Frauen der Terrormiliz? Dafür gibt es der Studie zufolge viele Gründe. Einer lautet: aus Angst vor Verfolgung. Doch die Autoren zeichnen ein komplexeres Bild. In dem Land, in dem seit knapp 30 Jahren ein Bürgerkrieg tobt, biete das Leben unter der Herrschaft von Al-Shabaab ein Mindestmaß an Sicherheit und Berechenbarkeit. Unter anderem ahnde die Miliz Vergewaltigungen in ihrem Territorium – in anderen Teilen des Landes herrsche hingegen eine „Kultur der Straflosigkeit“. Und wenn es dem sozialen Frieden diene, machten die Islamisten bisweilen Abstriche bei ihrer eigenen Ideologie. So habe Al-Shabaab erkannt, dass oft Frauen für das Familieneinkommen sorgen, und erlaube ihnen deshalb, eigene Läden zu führen.

Seit knapp 15 Jahren treibt Al-Shabaab ihr Unwesen in Somalia. Die Schwäche des somalischen Staates sei letztlich der Grund für die Stärke der Islamisten, schreiben die Autoren. Doch auch die Arbeit von Frauen halte Al-Shabaab am Leben. Um dem etwas entgegenzusetzen, müsse die somalische Zentralregierung – trotz ihres geringen Einflusses – unter anderem eine Strategie entwickeln, um der weit verbreiteten Gewalt gegen Frauen Einhalt zu gebieten.

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