„Coole Leute aus der Großstadt“

epd-bild/Heike Lyding

Das Hope Theatre aus Kenia tourt durch Deutschland

Hope Theatre aus Kenia in Deutschland
Aus dem Slum von Nairobi in die deutsche Provinz - die Themen des Hope Theatre gehen alle an: Ausgrenzung, Klima, Armut. Ziel der Theatertruppe aus Kenia ist es, einander zuzuhören, voneinander zu lernen. Mit Jugendlichen klappt das schon ganz gut.

Nairobi, Bad Dürkheim (epd). Es ist ganz still im Raum. Alle verfolgen gebannt die Bewegungen der Frau, die das Klassenzimmer zaghaft suchend abgeht. Sie hat als einzige keinen Stuhl abbekommen und weiß, sie gehört jetzt nicht mehr dazu.

Es ist eine Szene, die die Mitglieder des Hope Theatre aus Kenia mit den Schülerinnen und Schülern der Berufsschule im pfälzischen Bad Dürkheim proben. Die Frau, die eben noch eindringlich versucht hat, doch an einen Stuhl zu kommen, ist Schauspielerin und Mitglied der siebenköpfigen Truppe, die derzeit auf Deutschlandtournee ist. Es geht darum, in wechselnden Rollen jemanden auszugrenzen oder ausgegrenzt zu werden.

"Mir gefällt, dass wir über Themen sprechen, die Menschen in der ganzen Welt betreffen", sagt die künstlerische Leiterin Pauline Akinyi Onyango. "Nicht nur in Kenia, und nicht nur in den Slums." Wie zum Beispiel Ausgrenzung oder Klimawandel. Wie alle Ensemblemitglieder lebt die 29-Jährige in einem der Slums der kenianischen Hauptstadt Nairobi.

Anderes Bild von Afrika zeigen

Die Theatergruppe wurde 2009 vom deutsch-österreichischen Regisseur Stephan Bruckmeier gegründet und unternimmt seit neun Jahren Tourneen in Deutschland. Ausschlag für die Gründung gab ein Erlebnis in Kenia, wie Bruckmeier erzählt: Als sein erstes Theaterprojekt dort an einer Schule endete, habe jemand gesagt: "Und jetzt geht er wieder, der Weiße". "Das hat mich sehr nachdenklich gemacht. Von da an wollte ich weg von Projekten", sagt Bruckmeier.

Bruckmeiers Motivation ist es, ein anderes Bild von Afrika zu zeigen. "Besonders in Schulen spüren wir, dass sich etwas verändern lässt, wenn die Kids sehen, das sind coole Leute aus der Großstadt, die die gleichen Videospiele spielen wie wir." Der Erfolg gibt ihm recht. Pro Jahr haben sie etwa 100 Auftritte in Deutschland, die meisten davon in Schulen. Manche laden das Hope Theatre seit langem immer wieder ein.

Dennoch sind Finanzierung und Logistik jedes Jahr aufs Neue eine Zitterpartie. Öffentliche Zuschüsse seien meist nur für einen eng begrenzten Zeitraum möglich, die Beträge relativ klein, sagt der Regisseur, der selbst in Kenia lebt. Und allein die Beschaffung der Visa sei Jahr für Jahr schwierig, "als wären wir alle Kriminelle". Für die Gruppe sei das schwer zu verstehen.

"Faire berufliche Partnerschaften" nötig

Von den Touren hängt für die Schauspielerinnen und Schauspieler viel ab. Die Arbeit im Hope Theatre ist nicht nur ihre Leidenschaft, sondern auch ihr Beruf. Dass sie davon leben können, liegt nicht zuletzt an den Kontakten Bruckmeiers und seinem Erfolg bei der Geldbeschaffung. "Die staatliche Entwicklungshilfe baut noch Schulen und Brunnen, aber das braucht Kenia nicht, das gibt es schon", ärgert sich der Regisseur. "Was es braucht, sind faire berufliche Partnerschaften, damit die Menschen von dem leben können, was sie können."

Was die vier Schauspielerinnen und drei Schauspieler des Hope Theatre können, zeigt sich an diesem Vormittag in zwei kahlen Schulräumen in Bad Dürkheim. In einer Szene geht es ums Teilen und dass man dabei aufeinander zugehen muss. Geteilt wird eine Tafel fair gehandelter Schokolade, und ganz nebenbei kommt auch zur Sprache, dass die Kakaobauern bei konventioneller Schokolade kaum etwas verdienen.

Auch bei der Szene zu Ausgrenzung spielen mehrere Themen mit: Hautfarbe, Armut, Teilhabe, Anderssein. Und zwischendurch gibt es immer wieder Musik, es wird viel getanzt, natürlich auch gemeinsam.

Sprache stellt keine Barriere dar

Nils hat sehr engagiert mitgemacht. "In meinem Freundeskreis sind viele Flüchtlinge, durch das Theaterspielen kann ich ein Stück weit besser verstehen, wie sie sich fühlen." Es sei ihm bewusst, dass er als Weißer aus der Mittelschicht privilegiert sei. "Es war teilweise sehr unangenehm, es ist mir sehr schwer gefallen, meinen Stuhl nicht der Frau anzubieten, die keinen hatte."

Esperance, deren Eltern aus dem Kongo nach Deutschland kamen, fand die Beschäftigung mit dem Thema Hautfarbe gut. "So haben die anderen gefühlt, wie es mir geht." Beim Tanzen stand die 21-Jährige auf einmal alleine im Raum. Während sich die junge Frau strahlend zum Rhythmus bewegte, feuerten sie ihre Mitschülerinnen und Mitschüler begeistert an. "Es hat sich gut angefühlt, meine Kultur zu zeigen und dass ich auch anders kann."

Obwohl die Schauspielerinnen und Schauspieler Englisch sprechen, stellt die Sprache keine Barriere dar. "Das Gesprochene ist gar nicht entscheidend, es geht über Nachahmung", sagt Pauline Onyango. Viele Ideen kämen zudem von den Jugendlichen selbst. "Sie bringen sie mit aus ihrem Alltag."

Theater will Menschen aufklären

Zu manchen Themen recherchiert die Truppe viel, bevor sie daraus ein Stück macht - zum Beispiel zum Klimawandel, zum fairen Handel oder zu Flucht. "Das Wichtigste am Theater ist für mich, dass es Menschen aufklärt", sagt die 29-jährige Schauspielerin Monica Atieno. "Durch solche Informationen kann man Menschen verändern, und das wiederum kann vieles verändern."

"Wir haben festgestellt, dass auch Deutsche vieles nicht wissen", erzählt Onyango, die künstlerische Leiterin. "Ihr habt viel mehr Möglichkeiten, Dinge zu erfahren, und dennoch kann ich euch etwas beibringen." Seit sie das gemerkt habe, stelle sie ihr Licht nicht mehr unter den Scheffel.

Zu Hause in Nairobi trainiert die Truppe jeden Tag mehrere Stunden. Durch die Fenster ihres schmucklosen Proberaums im Slum Mathare fällt der Blick auf kleine Geschäfte und Wellblechhütten. Kinder flitzen barfuß zwischen Handwerkern und Händlerinnen herum.

"Ich habe viel gelernt durch die Arbeit mit dem Hope Theatre", sagt Schauspielerin Atieno. So habe sie festgestellt, dass es auch in Deutschland Arme und Reiche gebe. "Ich habe hier einem bettelnden Weißen Geld gegeben, das hätte ich nie erwartet."

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