Schädliche Zuckermarktreform

Schädliche Zuckermarktreform

Rainer Mönkediek / Uwe Rolf Süßes für Konsumenten – bittere Last für die Dritte Welt Der Zuckermarkt und die Agrarpolitik der EU Sozio-Publishing, Belm-Vehrte 2007, 188 Seiten, 12,80 Euro

Die neue EU-Zuckermarktordnung ist ein bürokratisches Bollwerk der Europäischen Union, das Seinesgleichen sucht. Das von Rainer Mönkediek und Uwe Rolf herausgegebene Buch bringt etwas Licht in den Paragraphendschungel. Der Deal mit den Zuckerquoten trat – nicht zuletzt auf Druck eines Schiedsspruchs der Welthandelsorganisation – im Juli 2006 in Kraft. Der Buchtitel verrät, in welche Richtung er das Geschäft mit dem Zucker drängt.

Die Zuckerkäufer – zumindest Großabnehmer wie Süßwaren- und Limonadenhersteller – dürfen sich auf die auf anvisierte Zuckerpreissenkung um 36 Prozent freuen. Zu den Verlierern zählen die Kleinen. Zwar sollen Zuckerproduzenten aus dem Süden einen verbesserten Marktzugang nach Europa erhalten, doch für jene AKP-Staaten, die bisher Quoten für den Export nach Europa zu den dort geltenden Preisen haben,senken niedrigere EU-Zuckerpreise die Gewinnmargen. Für die Exporteure lohnt sich die Ausfuhr dann nur,wenn sie billig einkaufen oder produzieren. Die Produktionskosten lassen sich in der Regel nur durch agroindustrielle Plantagenwirtschaft ausreichend senken. Dadurch werden sowohl die Arbeitsbedingungen der Zuckerrohrschneider als auch der Preisdruck für kleine und mittlere Betriebe härter.

Während die Landwirte in Europa für die Stilllegung von Flächen bezahlt und Zuckerfabriken bei Betriebsaufgabe mit recht attraktiven Summen entschädigt werden, sind die Zugeständnisse an diejenigen Entwicklungsländer, denen die EU bisher im Rahmen des Zuckerprotokolls die subventionierten EU-Preise für ihren Zucker gezahlt hat, kaum mehr als heiße Luft. Der Preisnachlass drängt sie zu weiteren „Effizienzsteigerungen“, die sich vor allem dort erzielen lassen,wo sich der geringste Widerstand auftut: bei Umwelt und Arbeitslöhnen.

Das Buch zeigt, dass durch die Zuckermarktreform sowohl in der EU als auch in den zuckerproduzierenden Entwicklungsländern die Konzentration von Marktmacht zunehmen wird. Durch die Förderung von Biokraftstoffen schafft die EU für die Monopolisten ein florierendes Ersatzzuckergeschäft (wobei, wie Stephan Kosch zeigt,die dadurch erhofften klimarelevanten CO2- Reduktionen äußerst fraglich sind),während kleine Betriebe schließen müssen. Illusionär scheint auch, dass die bisher bevorzugten Länder der AKP-Gruppe (Afrika, Karibik, Pazifik) weiterhin Zugang zum europäischen Markt haben werden,denn auch sie können zu den neuen Abnahmepreisen kaum noch produzieren.

Die zahlenlastige Lektüre wirft neue Fragen auf. Das ist vor allem der Komplexität des Themas geschuldet, dennoch hätten sich die die Herausgeber an Unbeantwortetes heranwagen können.Wie zum Beispiel könnte eine weltweite Umstellung der Landwirtschaft auf ökologisch und sozial verträglicheren Anbau politisch erwirkt werden? Stattdessen plädieren die Autoren lediglich für „ethischen“ Konsum und den Kauf von Fairzucker im Supermarkt.

Immerhin: Der Beitrag zum Fairzucker, der auf die Macht der Konsumenten setzt, ist stilistisch ein Genuss. Ansonsten hätte dem Buch, das als Dokumentation einer Vortragsreihe angelegt ist, eine stringentere Redaktion gut getan: Die vielen Wiederholungen sind lästig, fehlende Erläuterungen ärgerlich. Schließlich war das Buch auch für höhere Schulklassen gedacht, die jedoch eine gute Portion Ausdauer brauchen dürften, um sich das Zucker-ABC zu erschießen.

Martina Backes

welt-sichten 1-2008

 

 

erschienen in Ausgabe 1 / 2008: Globale Ungleichheit
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