Ratlos im Opiumfeld

In Afghanistan ist der Kampf gegen den Anbau von Schlafmohn bislang erfolglos

Von Tillmann Elliesen

Die in Wien ansässige UN-Behörde zur Bekämpfung von Drogen und Kriminalität (UNODC) bringt schlechte Nachrichten: Laut ihrer neuesten Schätzung werden die afghanischen Bauern dieses Jahr kaum weniger Schlafmohn anbauen als 2007. Afghanistans Regierung und die Geberstaaten zeigen sich uneins, wie der Anbau bekämpft werden sollte.

Im vergangenen Jahr war die Anbaufläche nach UNODC-Angaben gegenüber 2006 um 17 Prozent und die Opiumproduktion sogar um ein Drittel auf 8.200 Tonnen gestiegen. Möglicherweise würden diese Spitzenwerte nicht ganz erreicht, doch auch 2008 werde die Menge „schockierend groß“ sein, sagte der Chef der Behörde, Antonio Maria Costa, bei der Präsentation der Zahlen auf einer Afghanistan-Geberkonferenz Anfang Februar in Tokio.

Laut UNODC wird in Afghanistan Opium vor allem dort angebaut, wo der Einfluss der Regierung am schwächsten und die Macht der Taliban am größten ist: im Süden und im Südosten des Landes. Im vergangenen Jahr entfiel allein auf die südliche Provinz Helmand mehr als die Hälfte der gesamten Anbaufläche. Im Norden dagegen wächst die Zahl der drogenfreien Provinzen. „Afghanistan wird ein geteiltes Land mit klaren Frontlinien hinsichtlich Drogenanbau und Rebellentätigkeit“, sagte Costa. Nach UNODC-Schätzungen wird der Drogenanbau dieses Jahr rund 100 Millionen US-Dollar in die Kriegskasse der Taliban spülen.

Die Regierung in Kabul, die internationalen Geber sowie Entwicklungsexperten zeigen sich weiter uneins, wie das Problem gelöst werden könnte. Washington drängte auf der Konferenz in Tokio einmal mehr darauf, Drogenfelder aus der Luft mit Pestiziden zu besprühen – ein Vorhaben, das Präsident Hamid Karsai und alle anderen Geber ablehnen. Laut Richard Holbrooke, einem hochrangigen Diplomaten unter US-Präsident Bill Clinton, hat der US-Botschafter in Kabul, William Wood, mit dem Entzug von Wiederaufbauhilfe gedroht, sollte die afghanische Regierung den Einsatz von Pestiziden weiter ablehnen.

Die Weltbank und das britische Entwicklungsministerium (DfID) präsentierten in Tokio eine zivile Strategie gegen die Drogenökonomie. Sie fordern den Ausbau der ländlichen Infrastruktur, vor allem von Verkehrswegen und Bewässerung sowie den Aufbau von Betrieben, die landwirtschaftliche Produkte weiterverarbeiten. Ziel müsse es sein, den afghanischen Bauern attraktive Alternativen zum Mohnanbau zu bieten. Die Autoren veranschlagen die Gesamtkosten ihres auf 20 Jahre angelegten Programms auf rund zwei Milliarden US-Dollar. Sie räumen aber ein, dass ihr Vorhaben in den unsicheren Landesteilen schwer zu verwirklichen sei. Im Hauptanbaugebiet Helmand zum Beispiel sei „das Fenster für Entwicklungsinitiativen gegen den Opiumanbau sehr schmal“.

Strittig ist auch, inwieweit dem afghanischen Staat die Federführung im Kampf gegen die Drogenwirtschaft übertragen werden sollte. Die Weltbank und das DfID loben das Anti-Opium-Konzept der Regierung Karsai und möchten Kabul mehr Verantwortung geben. Der Leiter des UNODC dagegen klagte mit Blick auf das Innenministerium und das Ministerium gegen Drogen, es fehle auf afghanischer Seite an verlässlichen und integren Partnern.

Der britische Diplomat Paddy Ashdown zieht daraus einen klaren Schluss: „Die Stärkung der Regierungsführung muss erste – und am besten auch einzige – Priorität aller unserer künftigen Hilfsprogramme sein“, schrieb er im Februar in der „Financial Times“. Der frühere Repräsentant der Staatengemeinschaft in Bosnien-Herzegowina war von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon Ende 2007 als künftiger Afghanistan-Gesandter vorgeschlagen worden. Präsident Karsai hatte Ashdown jedoch abgelehnt.

welt-sichten 2/3-2008

 

 

erschienen in Ausgabe 2 / 2008: Pakistan - Staat in der Dauerkrise
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