Mehr Geld, mehr Eigeninteresse

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Hier kündigt die EU-Führung Milliarden an Investitionen an: die Präsidentin der Komission Ursula von der Leyen und der Präsident des Rates Antonio Costa treffen beim Gipfel EU-Südafrika im März 2025 in Kapstadt Südafrikas Präsidenten Cyril Ramaphosa (Mitte).
EU-Entwicklungspolitik
Die EU-Kommission sieht in ihrem Haushaltsentwurf für die Jahre 2028 bis 2034 deutlich höhere Ausgaben für Außen- und Entwicklungspolitik vor. Das soll aber vor allem Europas Interessen dienen, ärmere Länder könnten weiter an den Rand gedrängt werden.

Im nächsten Haushaltsrahmen der Europäischen Union für die Jahre 2028 bis 2034, den EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Mitte Juli vorgestellt hat, sollen mehrere Geldtöpfe für außen- und entwicklungspolitische Aufgaben in einem einzigen Instrument mit dem Titel „Global Europe“ zusammengefasst werden. Zugleich sollen die Mittel dafür auf gut 200 Milliarden Euro deutlich erhöht werden. Entwicklungspolitiker und nichtstaatliche Organisationen loben das, monieren aber, dass die Entwicklungspolitik der EU künftig noch stärker an europäischen Interessen ausgerichtet sein soll und dass die Kommission die Entscheidungshoheit über die Verwendung der Mittel zulasten des Europäischen Parlaments auf sich konzentrieren will.

Alexei Jones, EU-Fachmann bei der entwicklungspolitischen Denkfabrik ECDPM, sagte dem Onlinedienst „Devex“, mit dem neuen Haushaltsrahmen und dem Zuwachs bei den Mitteln für Global Europe zeige die EU, „dass sie eine größere Rolle auf der Weltbühne spielen will“. Zugleich versuche die Kommission ein System zu schaffen, „in dem sie eine umfassende exekutive Kontrolle über alle Instrumente hat“. Seiner Ansicht nach beanspruche die Kommission hier zu viel Spielraum.

Keine Vorgaben für Klimaschutz und Armutbekämpfung

Laut einer ECDPM-Analyse nennt die Kommission zwar Zahlen, wie viel Geld jeweils für einzelne Weltregionen bereitgestellt werden soll. Afrika südlich der Sahara würde demnach mit 60,5 Milliarden Euro etwa ein Drittel des Budgets bekommen. Doch die Kommission behält sich vor, von diesen Zuweisungen jederzeit flexibel abzuweichen, wenn sie das für nötig hält. 

Zugleich sieht der Haushaltsentwurf keine Finanzierungsziele mehr für bestimmte Aufgaben wie Klimaschutz oder Armutsbekämpfung vor. Auch dadurch will sich die Kommission mehr politischen Spielraum schaffen. Es heißt lediglich, mindestens 90 Prozent der 200 Milliarden Euro sollten den offiziellen Kriterien für staatliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA) genügen. In der ECDPM-Analyse heißt es dazu, der Verzicht auf Finanzierungsziele schwäche die Mitsprache sowohl des Europäischen Rates als auch des Parlaments: Beide könnten dann nicht mehr Änderungen bei der Zuweisung von Mitteln verlangen, bevor das Geld ausgegeben werde, sondern nur nachträglich Kritik üben. 

Die Kommission will selbst das Geld zuweisen  

Der Europaabgeordnete und SPD-Entwicklungspolitiker Udo Bullmann kritisiert, der Entwurf der Kommission schwäche die Kontrollfunktion des Europäischen Parlaments „erheblich“. Ursula von der Leyen verfolge mit dem Entwurf „einen klaren Machtanspruch, indem sie die volle Kontrolle über die EU-Ausgaben an sich ziehen will“.

Hildegard Bentele, EU-Entwicklungspolitikerin der EVP-Fraktion, erklärte auf Anfrage, die angestrebte Flexibilität im Haushalt solle es ermöglichen, auf kurzfristige globale Herausforderungen zu reagieren, „allerdings nicht zu Lasten von Transparenz und demokratischer Kontrolle“. Haushaltsentscheidungen müssten stets unter Mitwirkung des Parlaments getroffen werden.

Hilfe für migrationspolitisches Wohlverhalten

Inhaltlich will die Kommission die EU-Entwicklungspolitik noch stärker als bisher an eigenen Interessen ausrichten. So sollen Hilfszusagen an die Bereitschaft der begünstigten Länder geknüpft werden, abgewiesene Asylbewerber und Migranten aufzunehmen; so ausdrücklich stand das laut ECDPM bisher noch nie in einem EU-Haushalt. In fragilen Staaten und Konfliktregionen will sich die EU dem Entwurf nach vorrangig gemäß europäischer politisch-strategischer Prioritäten engagieren, weniger nach humanitären und entwicklungspolitischen Kriterien. 

Zudem soll mit Mitteln für Entwicklungszusammenarbeit nach dem Willen der Kommission ausdrücklich auch die Konkurrenzfähigkeit europäischer Unternehmen gestärkt werden, etwa indem Investitionen im Ausland gefördert werden. So steht erstmals in einem Haushaltsentwurf, dass mit Global-Europe-Geld auch Exportkredite abgesichert werden könnten.

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María José Romero vom europäischen NGO-Netzwerk sagte gegenüber „Devex“, der Haushaltsrahmen enthalte „keinerlei Garantien, dass die Mittel für Entwicklungsaufgaben ausgegeben werden“. Auch Udo Bullmann kritisiert, „dass Entwicklungszusammenarbeit verstärkt undurchsichtig und unkontrolliert instrumentalisiert wird“. Damit entferne die Kommission sich „immer weiter vom eigentlichen Zweck der partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit dem globalen Süden, nämlich der Armutsbekämpfung, die EU-vertraglich als zentrales Ziel festgeschrieben ist und einen wesentlichen Teil des Budgets ausmachen sollte“.

Hildegard Bentele von der EVP ist hingegen überzeugt, dass die EU mit dem neuen Finanzrahmen „Global Europe nicht nur ausbauen, sondern auch sichtbarer, wirksamer und zukunftsfähiger gestalten“ könne.

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