Die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit steht vor einem wichtigen Jahr
Von Viera Malach / InfoSüd
2008 werden für die Schweizer Entwicklungspolitik Weichen gestellt: Inhalte und Finanzmittel für die kommenden vier Jahre werden festgelegt, und eine Verwaltungsreform soll die Zuständigkeiten neu regeln. An der Spitze der staatlichen Entwicklungsagentur DEZA steht zudem ein Generationenwechsel an.
Die sogenannten Südbotschaften, in denen die Schweizer Regierung, der Bundesrat, die Rahmenkredite der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit für die Jahre 2008 bis 2012 festlegt und an das Parlament überweist, ließen lange auf sich warten. Eine Schweizer Besonderheit ist, dass sie zwei Bundesämter betreffen, die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO). Für wirtschafts- und handelspolitische Maßnahmen beantragt sind 505,7 Millionen Euro, für die Entwicklungszusammenarbeit mit Ländern des Südens 2,8 Milliarden Euro. Die entwicklungspolitische Arbeitsgemeinschaft der sechs großen Hilfswerke Alliance Sud sowie rund 70 nichtstaatliche Organisationen (NGO) haben einen höheren DEZA-Rahmenkredit gefordert und wollen nun für Druck sorgen. Die Kredite kommen im Juni vors Parlament und müssen bis Ende des Jahres verabschiedet werden.
Hilfswerke, Kirchen, Gewerkschaften, Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen rufen seit langem Bundesrat und Parlament dazu auf, die Schweizer Entwicklungshilfe zu erhöhen; 2007 sank sie weiter auf 0,37 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE). Zum Auftakt der Sommersession im Mai planen die NGOs die Übergabe ihrer Petition „0,7% - Gemeinsam gegen Armut“. Sie zählt derzeit über 135.000 Unterschriften und verlangt, die Schweizer Hilfsleistungen zugunsten der UN-Millenniumsziele bis 2015 auf 0,7 Prozent des BNE zu steigern. Um das zu erreichen, müssten die maßgeblichen Budgets jährlich um zwölf Prozent wachsen, rechnet Alliance Sud vor. Für die NGO-Allianz gilt es, die Politik zu überzeugen.
Außerdem ist geplant, die Entwicklungszusammenarbeit auf weniger Schwerpunktländer und Themen zu konzentrieren, so wie es die Geschäftsprüfungskommission (das Kontrollorgan) des Ständerates 2006 gefordert hat. Dabei geht es auch um die Positionierung von DEZA und SECO. Die Aufteilung der Schweizer Hilfe auf die Departements für Auswärtiges (in dem die DEZA angesiedelt ist) und Volkswirtschaft (zu dem SECO gehört) wurde regelmäßig kritisiert, weil sie unnötige Reibereien verursache. DEZA und SECO hatten deshalb angekündigt, sie wollten sich in den Ländern, in denen sie beide arbeiten, besser abstimmen.
Doch diese Zusammenarbeit wird nun in Frage gestellt. Denn die Debatte über eine neue Aufgabenverteilung läuft vor dem Hintergrund der Verwaltungsreform: Der Bundesrat befasst sich schon seit längerem mit der Frage, ob und wie die sieben Departements (Ministerien) neu gegliedert werden. Das Außenministerium plädiert dafür, die Entwicklungshilfe vollständig bei sich zu konzentrieren. Das SECO hingegen möchte seine wirtschafts- und handelspolitischen Vorhaben von der Hilfe für die Ärmsten trennen, die ärmsten Länder sowie die Armutsbekämpfung der DEZA überlassen und sich selbst auf Länder mit mittlerem Einkommen konzentrieren.
Alliance Sud kritisiert diese Pläne heftig. „Fraglich ist, ob die neue Ausrichtung auf die Länder mittleren Einkommens mit deren Bedürfnissen zu tun hat oder durch Interessen der Schweiz motiviert ist“, sagt ihr Geschäftsleiter Peter Niggli. Der scheidende DEZA-Direktor Walter Fust fordert eine klare Unterscheidung zwischen Entwicklungshilfe und Handelspolitik, falls es zu einer geografischen und inhaltlichen Zweiteilung zwischen DEZA und SECO komme. Fust verlässt die DEZA im April, im Herbst geht auch ihr Vize-Chef Remo Gautschi in Pension. Damit steht an der DEZA-Spitze ein Generationenwechsel an. Als Favorit für Fusts Nachfolge wird der Schweizer UN-Botschafter Peter Maurer gehandelt. Er ist auch der Wunschkandidat der Hilfswerke.
welt-sichten 2/3-2008